Mit dem Kauf von Blumen Gutes tun - der Margaretentag 1911 in Naumburg

19. Mai 2021

Kaufet Blumen! So erklingt es heute [am 6. Mai 1911] von zahlreichen Mädchenlippen, bald schüchtern, bald frisch und keck, je nachdem, wen sie vor sich haben.

In weißer Kleidung gehen sie meist durch die Straßen, diese freiwilligen Blumenverkäuferinnen, und mit ihrer großen weißen Margaretenblume auf dem Kopfe, mit dem Blumenkörbchen in der Hand sehen Sie wie der leibhafte Frühling aus, wie der Frühling, der sich, dem Wetter nach, leider ein wenig versteckt hat. Es herrscht ziemlich herbe Maikühle, aber glücklicherweise hat sich der Regen bisher nicht wieder eingestellt, der gestern früh zwar den Landwirten und Gärtnern viel Vergnügen machte, den ‚Verantwortlichen‘ des Margaretentages aber manche missmutige Falte auf die Stirne gebracht hat.“ So beginnt der Bericht im Naumburger Tageblatt über eine landesweite Veranstaltung, den Margaretentag, an der man sich auch in unserer Stadt beteiligte. Diese sogenannten Blumentage, es gab neben dem Margaretentag auch den Kornblumen-, Heckenrosen- und Anemonentag, wurden ab 1910 bis zum Beginn des Ersten Weltkriegs durchgeführt, um für wohltätige Zwecke Geld zu sammeln.

Der Organisator des Naumburger Margaretentages war der „Vaterländische Frauenverein“, der sich bei seiner Gründung Ende 1868 die Aufgabe gestellt hatte, im Kriege Verwundete zu pflegen, im Frieden Notstände zu lindern und Krankenpflege zu betreiben.

Dazu stellte der Verein zunächst zwei Diakonissen aus dem 1857 in Halle gegründeten Evangelischen Diakonissen-Mutterhaus an. Am 13. Juli 1869 hielten die beiden Schwestern Susanne und Friederike ihren Einzug. Zuerst fanden sie Unterkunft bei der Vorstandsdame Frau Konsistorialrat Göschel, dann bezogen sie eine Wohnung in der Dompredigergasse. Während der Kriegszeit 1870/71 waren die Schwestern in den hier eingerichteten Reservelazaretten tätig. Danach reichten zwei Schwestern bald nicht mehr aus, weshalb sich Anfang des 20. Jahrhunderts ihre Zahl auf vier erhöhte. Nachdem die Schwestern eine Zeit lang von der Stadt im St. Jakobshospital Unterkunft erhalten hatten, schufen ihnen im Jahre 1892 zwei hochherzige Gönnerrinnen ein eigenes kleines Heim in der Buchholzstraße.

Die Krankenpflege bei den Armen wurde von den Schwestern unentgeltlich ausgeübt. In Anerkennung dieser Dienste bewilligte der Magistrat unserer Stadt dem Vaterländischen Frauenverein einen jährlichen Zuschuss zur Erhaltung der Diakonissen-Station.

LuisenhausDas vielleicht größte Projekt des Vereins war die Errichtung eines Heims für pflegebedürftige Alte und Sieche, welches am 4. Juni 1903 in Naumburg eingeweiht wurde und den Namen „Luisenhaus“ bekam.

Darin konnten Personen jeden Standes in drei unterschiedlichen „Leistungsklassen“ Aufnahme finden. In der dritten Klasse konnten zwei, maximal drei Personen ein Zimmer für ein Pflegegeld von täglich 90 Pfennigen pro Person bewohnen. In der zweiten Klasse wurde ein kleines Zimmer einer Person allein oder zweien ein größeres zum Preis von 1,50 Mark pro Tag angewiesen. In der ersten Klasse erhielt der Bewohner ein Zimmer allein; die Verköstigung war entsprechend reichhaltiger und es waren 2 Mark täglich zu zahlen. Den verschiedenen Personen wurde dafür Wohnung, Verköstigung, Wartung bzw. Pflege, ärztliche Hilfe, Medizin und Reinigung der Wäsche gewährt.

Das Luisenhaus erlebte später mehrere Umbauten. Seit Beginn der 1990er Jahre ist die Caritas mit der katholischen Gemeinde St. Peter und Paul Träger des Hauses.

Kranken- und Altenpflege kostete auch früher schon Geld. Um für die anfallenden Kosten aufzukommen, war man damals vor allem auf Spenden angewiesen. Die Veranstaltung eines Margaretentages schien dem „Vaterländische Frauenverein“ ein geeignetes Mittel zu sein, um die Bevölkerung zum Spenden zu animieren, was sich im Nachgang auch bestätigte.

Im Naumburger Kreisblatt wurde am 3. Mai 1911 folgender Aufruf veröffentlicht:

„Zum Besten des Naumburger Luisenhauses und der Diakonissenstation sollen Sonnabend, den 6. Mai in der ganzen Stadt vom frühen Morgen an bis spät abends weiße und gelbe Margaretenblumen zum Preise von 10 Pfennig das Stück verkauft werden. Außerdem werden in Geschäften, in den elektrischen Bahnen, in Hotels und Restaurants offizielle Künstlerpostkarten zum Preise von 20 Pfennig angeboten, Veranstaltungen zu Gunsten des Margaretentages sind für den Nachmittag und Abend vorgesehen. … Alle Bewohner Naumburgs, ohne Unterschied der Konfession, der Partei und des Standes werden gebeten, sich durch Kauf von Blumen und Postklarten an diesem Werke der Nächstenliebe zu beteiligen.“

Glaubt man dem Bericht im Naumburger Kreisblatt, so waren die Einwohner Naumburgs damals leichter zu begeistern als heute. „Man kann ohne Übertreibung behaupten, dass der Margaretentag auch bei uns zu einem allgemeinen Festtage geworden ist. Es war wohl kein Mensch, der nicht in irgendeiner Weise von der festlichen Erregung berührt worden ist, und wenn er sich bloß darüber geärgert haben sollte. Wir glauben aber, dass es nur ganz wenige davon gegeben hat.

Die Nachmittagsveranstaltungen begannen mit einem „leider verregneten Wagenkorso“. Voran auf einem prächtigen Apfelschimmel ritt Polizeiinspektor Bicker, ihm folgte ein Automobil mit Landrat Freiherr von Schele und Kaufmann Carl Richter als Vorstandsmitglieder des vaterländischen Frauenvereins und Hauptveranstalter sowie mehrere Damen. Die Nächsten waren mehrere Mitglieder der Fleischerinnung ebenfalls hoch zu Pferde und drei weiße Radfahrerinnen. Insgesamt zählte man 35 Wagen darunter einen Musikwagen, ein „famoses Gespann von weißen Ziegenböcken“ und einen Leiterwagen mit den Mitgliedern des Vereins „Alt-Wandervögel“, „verwegene Gestalten mit spitzen Federn auf den Hüten und in voller Ausrüstung mit Kochtopf und Klimperkasten“. Alle Wagen „boten in ihren Blumenschmucke den heitersten und festlichsten Anblick“. Wegen des Regens musste die Umfahrt allerdings vorzeitig abgebrochen werden.

Karte MargaretentagZum Glück ging das schlechte Wetter ziemlich rasch vorbei. „Jetzt belebten auch die Schüler der höheren Schule das Bild, die Kadetten erschienen und es war ein Treiben in den Straßen wie zu Kaisers Geburtstag. Es konzentrierte sich am meisten, wo sich Musikkapellen mit der Ausführung von Konzerten höchst dankenswert der Sache dienstbar machten; ferner war auf dem Kaiser-Friedrich-Platz [Heinrich-von-Stephan-Platz] viel Getriebe am Karussell, in dem als Restaurationszelt aufgebauten Kramerzelte und in einem anderen Kirschfestzelte. Eine ganz famose Idee war auch die Errichtung eines Bierschankes im Inneren des Marientors; es fehlte nur etwas mehr Wärme für diesen Zweck.

Zu einem wahren Volksfeste gestaltete sich dann am Abend das Marktfest, an dem eine nach Tausenden zählende Menge aus allen Klassen und Ständen sich beteiligte.“ Nach dem gemeinsamen Gesang des Liedes „Der Mai ist gekommen“ und einer Festrede zeigten die Turner der „Friesen“ und des „Männerturnvereins“ ihr Können. Dazwischen gab es Darbietungen der Gesangsvereine und Kapellen. Danach wogte „noch lange Zeit der Menschenstrom in den Straßen auf und nieder, hier und da ließen fidele Sängergruppen ihre Weisen erschallen, die Restaurationen und Cafés hatten selten die gleiche Besucherzahl aufzuweisen wie heute. Erst spät nachts trat etwas Ruhe ein.“

Ein besonderer Verkaufserfolg war einer Postkarte des Naumburger Künstlers Fritz Amann (* 11.11.1878 Gera; † 25.05.1969 Naumburg) beschieden, die „vor frühlingsgrünen Birken eine Mädchengestalt mit schlichtem Haar und großem Margaretenstrauß im Arme zeigte.“ Diese sollte eigentlich für 20 Pfennig verkauft werden, fand aber so viele Liebhaber, dass sie schon am Vormittag mit 2 bis 3 Mark das Stück gehandelt wurde.

Natürlich war man gespannt darauf, welchen Ertrag die Veranstaltung bringen würde.

Die Öffnung der Sammelbüchsen brachte rund 13.000 Mark zutage, aber auch allerhand andere Dinge, wie „Münzen aller möglichen Staaten, einen falschen Hundertmarkschein, Unterbeinkleidknöpfe, abgestempelte Briefmarken“ usw. Nach Abzug der Unkosten ergab sich schließlich ein Reingewinn von 11.666,79 Mark.

Und noch einen kleinen Triumpf konnte das Kreisblatt vermelden: die Spenden pro Kopf der Bevölkerung ergaben in Leipzig 28,2 Pfennige, in Weißenfels 30 Pfennige und bei uns 49 Pfennige!

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