Das „neue“ Postgebäude am Heinrich-von-Stephan-Platz und seine Vorgänger

19. März 2022

Seit 90 Jahren steht am Heinrich-von-Stephan-Platz unsere „neue“ Post. Wie sie dorthin kam und wo die Post vorher war soll hier näher betrachtet werden.

Auch wenn im 15. Jahrhundert das Geschlecht derer von Thurn und Taxis im Auftrag des Königs und späteren Kaisers Maximilian I. das europaweite Postwesen gründeten, kochte man im Lande des sächsischen Kurfürsten, in dem auch Naumburg lag, diesbezüglich sein eigenes Süppchen. Ende des 15. Jahrhunderts begründet, wurde das kursächsische Postwesen stetig weiter ausgebaut und so soll Naumburg im Jahre 1626 nach einer Notiz im Dresdner Archiv sein erstes Postamt erhalten haben. Allerdings wird auch schon Mitte des 16. Jahrhunderts eine kurfürstliche Post in Naumburg erwähnt, die sich im Georgenkloster und später in der Marienstraße 16 befunden haben soll.

1699 wurde dann im Gasthof „Zum Scheffel“ (Gebäude der heutigen Salztorschule) eine „allgemeine sächsische Poststation“ eröffnet und der Gastwirt Christian Röller vom Leipziger Oberpostmeister Johann Jacob Kees mit dem Titel „Postmeister“ zum Verwalter ernannt. In jener Zeit reichte ein Briefträger für die ganze Stadt aus und abgehende Briefe mussten beim Postmeister gegen Barzahlung aufgegeben werden.

Nachdem der spätere Postmeister Georg Decker 1735 das Haus Neustraße 47 gekauft hatte, wurde die sächsische Poststation vom Gasthof „Zum Scheffel" dorthin verlegt. Von dessen Sohn Felix übernahm August Müller 1779 das Postmeisteramt und neuer Standort der Post wurde Müllers Haus Weingarten 29.

Müller betrieb zugleich eine ausgedehnte Landwirtschaft, so das die Ställe und Niederlagen seines Hauses für den gerade in jener Zeit viel Wagen und Pferde erfordernden Postverkehr bald nicht mehr ausreichten. Er erwarb 1804 das Haus Jakobstraße 26 und verlegte den Fuhrpark des Postamtes dorthin.

Dieses Haus in der Jakobstraße gehört zu den ältesten Gebäuden unserer Stadt. Lambrecht von Altensee, der 1562 von seinem Bruder Georg das mit der Reformation in ein Rittergut umgewandelte Kloster Goseck geerbt hatte, ließ es im wesentlichen in seiner jetzigen Gestalt mit großem Kostenaufwand gegen Mitte des 16. Jahrhunderts erbauen. Nach seinem Tod und einer angemessenen Trauerzeit heiratete seine Witwe einen Dr. Johann von Frankenburg, weshalb die Namen beider Herren noch heute an der Fassade zu lesen sind und ihre Wappen das prächtige Gebäude zieren. Um 1600 kam das Haus in den Besitz der alten Naumburger Familie der Harnische, die es als Gasthaus „Zum güldenen Harnisch“ betrieben. Das Gasthaus galt lange Zeit als vornehmstes Absteigequartier für durchreisende Fremde, auch nachdem es seit 1823 kein Gasthof mehr war, sondern das Postamt beherbergte. Groß ist die Zahl der Fürstlichkeiten, die in dem Hause Einkehr hielten. Deren Namen werden immer wieder von Besuchern der Stadt an der Hausfassade staunend nachgelesen.

Jakobstraße 26 

Detail 1 Jakobstraße 

 

Detail 2 Jakobstraße

 Jakobstraße 26, Postamt von 1823-1889  

Von 1823 ab zahlte der Staat an den Hausbesitzer Müller 600 Mark Miete für die Benutzung der unteren Gebäuderäume als Postamt. Nach Müllers Tode kaufte der Staat 1836 das Haus für 36.000 Mark und richtete die oberen Räume als Dienstwohnung des Postdirektors ein.

In den Folgejahren wuchs die Zahl der Postsendungen stetig an, so dass 1888 bei der Naumburger Post schon 18 Sekretäre sowie 36 Briefträger beschäftigt waren und die aufkommende Telegraphie erforderte zusätzlichen Platz. Dafür reichte das Postgebäude in der Jakobstraße nicht mehr aus, es musste ein neues her.

Für den Neubau eines Postgebäudes gab es zahlreiche Vorschläge, z. B. den Jägerplatz, der damals noch nicht bebaut war. Dagegen sprachen sich vor allem die Handels- und Gewerbetreibenden aus, die den Bau möglichst im Stadtzentrum haben wollten. Nach längeren Verhandlungen entschied sich die Postverwaltung schließlich 1882 für einen Neubau in der Lindenstraße (Lindenring). Nachdem der damalige Reichspostmeister Heinrich von Stephan den Bauplatz persönlich besichtigt und für gut befunden hatte, begannen die Verkaufsverhandlungen mit den Grundstücksbesitzern und zum 1. April 1885 wurden die notwendigen Verträge für insgesamt 94.000 Mark geschlossen. Mit dem Reichsetat 1887/88 wurden die notwendigen Mittel bewilligt, so dass im Sommer 1888 mit den Arbeiten begonnen werden konnte. Unter der Leitung des Herrn Regierungsbaumeisters Klauwell und der Beteiligung einer größeren Zahl von Werkmeistern Naumburgs und der Umgebung wurde das Bauwerk noch im gleichen Jahr vollendet. Am 20. Januar 1889 fand die feierliche Einweihung in der Schalterhalle des Postneubaues statt. In den Festreden wurde erklärt, dass das „Postamt eine neue Masche in dem gewaltigen, wunderbaren Netz des Weltpostverkehrs bildet, die mit ihrer tief durchdachten, einfachen und doch sicher wirkenden Einrichtung die entlegensten Länder des Erdballes miteinander verbindet, und es ermöglicht, dass nicht nur ein Brief, eine Karte ihren Weg zuverlässig über Meere und Berge, durch Wüsten und Wälder zurücklegt, sondern dass auch mit Blitzesschnelligkeit Mitteilungen in die weiteste Ferne befördert, ja die menschliche Stimme selber viele Meilen weit übertragen werden kann.

 Lindenring
 Detail 1 Lindenring  Detail 2 Lindenring
 Lindenring, Postamt von 1889-1932  

Im Naumburger Tageblatt findet sich nachfolgende Beschreibung des Hauses: „Für den Verkehr des Publikums mit der Post ist lediglich die große durch zwei grüne Kachelöfen heizbare Schalterhalle bestimmt, in die man durch eine Doppeltür von der Straße aus tritt. Links von dem Eingang befinden sich die Schalter für die Briefausgabe, rechts diejenigen für den Verkehr in Geld- und Wertsendungen und die Telegramm-Annahme, geradeaus die Gepäckschalter. Die in Parterre angenommenen Telegramme werden durch eine sinnreiche Vorrichtung eine Treppe hoch befördert, wo sich die telegrafischen Apparate befinden und die Abfertigung bzw. Ankunft von Depeschen erfolgt; die Büros für den inneren Postbetrieb befinden sich Parterre. Im Hof finden wir neben den Aborten die Räume für die Wagen, Karren, Geräte usw.“

Spätestens im Jahr 1897, also schon 8 Jahre später, war klar, dass das Postamt am Lindenring nicht mehr den Erfordernissen genügte. Die Zahl der zu bearbeitenden Sendungen und der Umfang der Dienstleistungen der Post nahm weiterhin drastisch zu, denn die technische und wirtschaftliche Entwicklung ging mit Riesenschritten voran. Der sich entwickelnde Telegraphie- und Fernsprechverkehr erforderte größere Räume für die Unterbringung technischer Geräte. Auch musste der Fuhrpark stetig vergrößert werden. Ein Antrag auf Erweiterung des Gebäudes wurde abgelehnt, allerdings bot das Umland kaum die Möglichkeit dafür. Sowohl die Anmietung von Räumen in der Fischstraße 19a als auch die Kündigung der Wohnung des Hauswarts im Dachgeschoss zwecks Einrichtung zusätzlicher Büroräume brachte keine Entspannung der Lage. Darüber hinaus musste für das teilweise in unzulänglichen Räumen untergebrachte Telegraphenbauamt eine neue Unterkunft geschaffen werden. Der wichtigste Grund für eine Erweiterung war aber die geplante Einführung des Selbstanschlussbetriebes im Fernsprechwesen, die Städte wie Jena, Weimar, Bad Kösen, Zeitz usw. längst realisiert hatten.

Eine Lösung dieser Probleme kam erst in Sicht, als Anfang 1928 bekannt wurde, dass der Magistrat einen vollständigen Neubau bei der Reichspostverwaltung angeregt hatte und ihr ein städtisches Grundstück anbot, nämlich den Kaiser-Friedrich-Platz (später Heinrich-von-Stephan-Platz). Die Reichspostverwaltung war nicht abgeneigt dem zuzustimmen, wenn Naumburg, wie auch andere Städte ihr den Platz kostenlos überlassen würde. Die Stadtverordnetenversammlung gab am 2. Februar 1928 dazu ihre Zustimmung.

Wie es auch heute bei größeren Bauvorhaben oft der Fall ist, gab es damals erheblichen Widerspruch gegen das Projekt. Eingaben von 60 hiesigen Geschäftsleuten, von Anliegern und sonstigen Interessenten gingen ein, mit dem Ziel, die Bebauung zu unterlassen.

Man forderte, den Kaiser-Friedrich-Platz als solchen zu erhalten, zum einen, „weil Plätze für Gesundheit und Schönheit einer Stadt unschätzbar sind“, zum anderen, „weil ein Platz für die Abhaltung des Wochenmarktes an bestimmten Tagen und für Schausteller gebraucht wird.“ Die Anwohner befürchteten, dass durch die Bebauung ihre Wohnungen an Wert verlieren und nicht mehr vermietbar werden sowie der „Lärm vor ihren Häusern gesteigert würde.

Der Widerspruch richtete sich aber auch dagegen, dass „der Baugrund unentgeltlich von der Stadt hergegeben worden sei“. Schließlich waren die Naumburger Handwerker verbittert, weil der Bau nicht ihnen, sondern einer Bauhütte aus Zeitz, „noch dazu einer sozialistischen“, übertragen wurde. Diese hatten die Naumburger um 10.000 Mark unterboten, was bei einer Gesamtsumme von 350.000 Mark ohne Inneneinrichtung allerdings nicht viel war.

Alle diese Einwände kamen aber zu spät, denn die Verträge zwischen der Stadt und der Reichspost waren abgeschlossen und die Übereignung des Grund und Bodens bereits grundbuchlich eingetragen.

Zu guter Letzt schöpften alle Baugegner nochmal Hoffnung, weil seitens der Stadt versäumt worden war, eine notwendige Änderung der Baufluchtlinie rechtzeitig von den Stadtverordneten bewilligen zu lassen. Doch am 22. Januar 1931 konnte das Naumburger Tageblatt verkünden, dass der Regierungspräsident zu Merseburg den Neubau endgültig genehmigt hat, ohne jede Abweichung von der ursprünglich vorgesehenen Bauart und Fluchtlinie. Damit waren alle Bedenken der verschiedensten Art gegenstandslos geworden, die Stadtverordnetenversammlung am 21. Januar 1931 nahm die Entscheidung zur Kenntnis und der Bau begann am 2. Februar 1931. Schon ein reichliches Jahr später war das Werk vollbracht. Der Bau war der „Zeit entsprechend schlicht und sachlich, aber auch hell und freundlich und allen Anforderungen entsprechend ausgeführt worden.“ Mit seiner Inbetriebnahme gelang es, den gesamten Postverkehr einschließlich des Fuhrparks in einem Objekt zu konzentrieren. Im bisherigen Postgebäude am Lindenring verblieben nur die Fernsprecheinrichtungen und das Telegraphenbauamt.

Post 
 Heinrich-von-Stephan-Platz, Post seit 1932

Am 17. April 1932 erfolgte dann die Einweihungsfeier des neuen Gebäudes. „Zum ersten Male grüßte die Reichspostflagge hoch droben von des Hauses Zinne, als sich im großen Schalterraum des Gebäudes die Teilnehmer zusammenfanden“ ist im Tageblatt zu lesen. Und weiter: „Es befand sich vor dem Bau im Zuge unserer Promenade eine hässlich wirkende Lücke. Als eine Zaunlücke hat sie einst ein Städtebausachverständiger bezeichnet. Und diese Lücke ist durch diesen zwar schlichten, aber formschönen und in seiner Linienführung besonders glücklichen Bau beseitigt worden. Dieser harmonische Ausgleich wird noch mehr in Erscheinung treten, wenn demnächst der Platz vor dem Haus hergerichtet ist und der schon längst abständige Wagenschuppen unserer Straßenbahn nieder gebrochen ist.

Letzteres ist zum Glück nicht passiert und wir sind heute froh darüber!

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