Was aus dem Nachlass von Carl Peter Lepsius geworden ist

19. Juni 2023

Bibliothek, Archiv und Museum sind heutzutage wichtige Einrichtungen einer Stadt. Diese haben in Naumburg, zumindest teilweise, einen gemeinsamen Ursprung, die Hinterlassenschaften des bekannten Naumburgers Carl Peter Lepsius, der vor 170 Jahren, am 23. April 1853 verstarb.

In einem im Naumburger Kreisblatt veröffentlichten Nachruf des Magistrats hieß es: "Unsere Stadt ist durch den Tod einer ihrer edelsten Bürger entrissen worden. Nach einem langen, wirkungsreichen Leben entschlief der Königl. Geheime Regierungsrat Carl Peter Lepsius, der seiner Vaterstadt durch sein ganzes Leben mit einer Liebe, Anhänglichkeit und Aufopferung ergeben, wie sie selten gefunden wird." Er war nicht nur Beamter, Bürgermeister und Landrat von Naumburg, sondern mit ihm ist auch "ein Reichtum an Forschung, der unermüdlichen Sammlung und des Wissens" dahingeschieden, ist weiter zu lesen.
Carl Peter Lepsius hatte sich schon "von Jugend an mit der Geschichte der Stadt und aller sie betreffenden Verhältnisse beschäftigt, die darauf bezüglichen Druckschriften und Manuskripte gesammelt und die Resultate seiner Forschungen in verschiedenen Werken und Aufsätzen publiziert."

Seine Erben verfügten, "seine Bibliothek, so weit sie die Stadt und das Hochstift Naumburg betrifft, seiner und unserer Vaterstadt als Geschenk zu überlassen." Daran geknüpft war die Bedingung, "dass die Bibliothek unter der Benennung Bibliotheca Lipsiana als untrennbares, für sich bestehendes und unveräußerliches Eigentum der Stadt in einem passenden Lokale des Rathauses aufgestellt, auch einem Jeden der Zutritt und denen, die sich für die Geschichte ... interessieren, die Möglichkeit der Benutzung gewährt werde." Außerdem sprachen die Erben den Wunsch aus, dass dieser Nachlass als Grundlage für ein städtisches Museum dienen möge.

Zunächst wurden alle Handschriften und Bücher der „Lepsiana“ im Rathaus untergebracht und "mit den Bänden des Magistrats-Archivs verbunden". Im Laufe der Zeit vergrößerte sich diese Sammlung durch Schenkungen. Erst 1879, also 26 Jahre nach Lepsius Tod wird berichtet, dass "die Genehmigung zur Annahme der Lepsiusschen Vermächtnisse Allerhöchsten Ortes erteilt worden ist".
"Über 50 Jahre lang führte die Bibliothek ein bescheidenes Winkeldasein" schreibt Friedrich Hoppe rückblickend im Jahre 1922. "Sie besaß einen ausgeprägt wissenschaftlichen Typ, Unterhaltungsschriften waren streng verpönt. Den Hauptbestandteil bildeten historische Schriften, sodann wohl die gesamte klassische Literatur der Griechen und Römer in Übersetzungen, ferner alte Drucke der Reformationszeit und das kostbare Ägyptenwerk von Richard Lepsius, dass die wenigsten Universitätsbibliotheken besitzen." Der Jahresetat von 400 Mark war mehr als bescheiden. "In der wöchentlich einmal stattfindenden Ausleihestunde kamen durchschnittlich 5-8 Besucher." 1921 bewilligte die Stadt 20.000 Mark zu Anschaffung von Unterhaltungsschriften. Danach stieg die Zahl der eingetragenen Leser deutlich. Der wissenschaftliche Teil der Bibliotheca Lipsiana und die erwähnte neu angeschaffte Unterhaltungsliteratur wurden als „städtische Bücherei“ aus dem Bestand herausgelöst und in einem der beiden Salztorhäuschen untergebracht. 1953 "wanderte" die Stadtbücherei zum Markt ins Schlösschen, später in die alte Jägerkaserne. Heute ist sie im Citykaufhaus zu finden.

Die umfangreiche Manuskriptsammlung und der heimatgeschichtliche Teil der Bibliotheca Lipsiana sowie die sonst noch im Rathaus vorhandenen Urkunden, Bücher und Akten zur Stadtgeschichte wurden gemäß der geltenden Rechtsvorschriften in ein „Stadtarchiv“ ausgelagert, das anfangs im Rathaus und zu Zeiten der DDR u. a. in einem Gebäude untergebracht war, das an der Stelle des heutigen Cineplex-Kinos stand. Später zog es in das Grundstück Kramerplatz 1 um, in das sogenannte „Präsidentenhaus“, so genannt, da darin bis 1920 der jeweilige Präsident des Oberlandesgerichts Naumburg wohnte. In der oberen Etage dieses Hauses konnten zum ersten Male die umfangreichen und wertvollen Bestände zur Geschichte der Stadt Naumburg ordnungsgemäß aufgestellt werden. Im Erdgeschoss befand sich damals die Station Junger Techniker, an die sich die Älteren unter uns vielleicht noch erinnern. Nach 1990 wurde das Haus saniert und damit noch mehr Platz für das Stadtarchiv geschaffen.

Museale Gegenstände im eigentlichen Sinne waren im Nachlass von Carl Peter Lepsius kaum enthalten, weshalb ein Museum, das nach der Stiftungsurkunde der Lepsius-Erben gebildet werden sollte, nicht eingerichtet wurde. Seinen Ursprung verdankt das heutige Museum der Stadt Naumburg vor allem privaten Sammlungen und musealen Gegenständen, die im Rathaus aufbewahrt worden waren. Der Lehrer Hermann hatte eine vorgeschichtliche Sammlung angelegt und der Verwaltungsoberinspektor Lehmann hatte "unermüdlich und allen Gewalten zum Trotz gesammelt, was er an geschichtlichen Schätzen der Naumburger Heimat erlangen konnte." Vor dem ersten Weltkriege machte Lehmann die Schätze seiner stillen Sammelarbeit im Schlösschen der Öffentlichkeit zugänglich. Später wurden die Ausstellungsräume anderweitig gebraucht, so dass das Heimatmuseum seit dem 16. November 1916 geschlossen wurde. Viele Jahre ruhten die wertvollen Schätze danach "im verborgenen, aber der Schöpfer des Museums näherte seine stille Liebe auch in der Zurückgezogenheit weiter."

Spätere Bestrebungen, für die lokalgeschichtliche Abteilung des Heimatmuseums geeignete Räume zu finden, brachten kein Ergebnis. Bald sollte das Schlösschen, bald die Reichskrone die Lösung dieser schwierigen Frage bringen, aber für keinen dieser Plätze gab es eine Einigung.

1928, als in Naumburg mit viel Mühe die 900-Jahrfeier stattfand, schaffte man es nach der Bewilligung von 3.000 Mark, eine Ausstellung zustande zu bringen. Zunächst zeigte man in einem Raume des Ober-Lyzeums vom 11. bis 17. Juni eine Auswahl der vorgeschichtlichen Sammlung. Unter dem Titel „Naumburg im Wandel der Zeiten“ waren dann ab dem 17. Juni im Haus Markt 12 in 4 Räumen einige ausgewählte Stücke aus der Naumburger Heimat- und Stadtgeschichte zu sehen. Neben wichtigen Urkunden wurde die Entwicklung des Stadtbildes dargestellt, beginnend mit alten Stadtplänen bis zu den Neubauten des 20. Jahrhunderts. In einem Raum war ein Naumburger Bürgerstübchen mit kostbaren Einrichtungsgegenständen aufgebaut. Das Interesse an der Ausstellung war offensichtlich so groß, dass man das Ausstellungsende um zwei Wochen auf den 23. September verschob.

Da die Räume im Haus Markt 12 später zu anderen Zwecken gebraucht wurden, mussten die Ausstellungsgegenstände wieder zusammen gepackt werden und lagerten danach dort sowie im Bauhofe und an anderen Stellen der Stadt. 1932 wurden sie in das Obergeschoss des Luisen-Oberlyzeums geschafft, wo die Schule einige Räume freigemacht hatte und dort zunächst wahllos abgestellt. In monatelanger, mühevoller Arbeit stellten dann die schon genannten Herren Hermann und Lehmann, mittlerweile im Ruhestand, mit einigen tatkräftigen Helfern eine Ausstellung zusammen. „Der knappe Raum gebot äußerste Beschränkung namentlich der historischen Abteilung und vieles musste schweren Herzens auf dem Boden gestapelt werden.“ Am 10. Oktober 1932 konnte das Museum schließlich eröffnet werden. „Naumburg hat sein Heimatmuseum wieder“ jubilierte man im Tageblatt. „Manche hatten das Museum schon aus der Liste der Lebenden gestrichen, weil sie nicht wussten, dass sein Schöpfer im Verborgenen weiter arbeitete, immer erfüllt vom festen Glauben an sein Werk.

Im Jahr 1939 zog das Heimatmuseum das nächste Mal um und zwar in die Grochlitzer Straße 49/50, wo sich noch heute die Museumsverwaltung befindet. Mit dem Museum war anfangs ein „botanischer Schul- und Lehrgarten“ verbunden. Im Sommer 1931 hatte man auf Anregung und mit Unterstützung des hiesigen Verschönerungsvereins dort begonnen, den Garten einzurichten. Zum großen Teil durch Arbeitslose wurde zunächst der östliche Teil, im Jahr darauf dann der westliche Teil „nach pflanzenbiologischen Gesichtspunkten“ errichtet. Die botanischen Gärten in München, Nürnberg, Bamberg, Merseburg und Jena überließen dafür kostenlos Pflanzen. Ein kleines Gartenhäuschen in der hinteren rechten Ecke wurde in Ordnung gebracht, „damit z. B. Schulklassen untertreten können, die bei der Besichtigung von Regen überrascht werden.“ Am 19. Juni 1932 wurde der botanische Lehrgarten vom Verschönerungsverein der Stadt übergeben. „So ist denn eine Anlage geschaffen wurden, die den Schulen neue Möglichkeiten zur Belehrung schafft, den Erwachsenen Anregung gibt und beide, die Jugend wie die die Älteren, auf den Weg zum Verständnis der Natur und zur Liebe zu ihr hinführt“ hieß es bei der Eröffnung.
Allerdings konnte dieser Garten nicht ganz seine Wirksamkeit entfalten. Zum einen fehlten geeignete Fachkräfte, die ständig die Pflanzen und Blumen so pflegten, dass sie für Unterrichtszwecke genutzt werden konnten. Zum anderen fehlte es auch an Aufsichtskräften, so dass die angepflanzten Stauden usw. oft beschädigt wurden. So entschloss sich die städtische Schulverwaltung, diesen Garten dem Heimatmuseum zu überlassen.
Bei dem Bombenangriff am 11. April 1945 wurde der alte 1542 eingeweihte und 1901 geschlossene städtische Friedhof teilweise zerstört. Kulturgeschichtlich wertvolle Grabsteine und -denkmale, die den Angriff überstanden, wurden später im Garten des Museums wieder aufgestellt.

60 Jahre nach der Errichtung des Heimatmuseums in der Grochlitzer Straße zog es in das Stadtzentrum. 1991 erwarb die Stadt das Bürgerhaus Markt 18, einen aus vier Teilen bestehenden Gebäudekomplex mit dem Hausnamen „Hohe Lilie“. Dieser wurde von der Stadtverwaltung ausgewählt, um eine Mustersanierung durchzuführen. Die sehr aufwendige Instandsetzung dauerte bis 1999 und kostete mehr als 4 Millionen Mark.
Am 24. Juni 1999 wurde das Stadtmuseum „Hohe Lilie“ mit „großem Bahnhof“ der Öffentlichkeit übergeben. „Ein wesentlicher Beitrag in der kulturhistorischen Landschaft Sachsen-Anhalts, wie Landeskulturminister Dr. Gerd Harms würdigte“ und im Tageblatt nachzulesen war. „Einmalig ist die Umsetzung der Idee vom ‚doppelten Museum´: Das älteste, um 1250 entstandene Haus der Bürgerstadt, erzählt die Baugeschichte seiner vier Häuser anhand der wieder sichtbar gemachten und sanierten Bausubstanz aus sechs Jahrhunderten. Darin eingebunden die Darstellung der Stadtgeschichte in moderner Gestaltung.

Außer der Dauerausstellung werden auch immer wieder Ausstellungen zu wechselnden Themen gezeigt. Seit einiger Zeit erwartet Familien mit Kindern zudem eine digitale Schnitzeljagd durch das Haus, bei der knifflige Rätsel gelöst werden müssen.

Hand aufs Herz, liebe Leser, wann waren Sie das letzte mal in der „Hohen Lilie“? Gehen Sie hin, es lohnt sich!

 

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