Einst war der nächtliche Heimweg ohne Laterne nicht ungefährlich

19. Juli 2023

Stellen Sie sich vor, Sie hätten Anfang des 18. Jahrhunderts gelebt und wollten sich abends noch mit Freunden auf ein Glas in einem Gasthaus treffen. Was hätten Sie möglichst nicht vergessen dürfen? Geld natürlich, aber auch eine Laterne, die Ihnen den Weg nach Hause erhellt, denn eine Straßenbeleuchtung gab es nicht.

Wenn der Mond nicht schien, hätten Sie kaum die Hand vor ihren Augen erkennen können. Bedenkt man dann dabei noch, dass Straßen kaum gepflastert waren und keine Kanalisation existierte, kann man sich vielleicht ein wenig vorstellen, welche Gefahren auf dem Heimweg lauerten.

Im Naumburger Tageblatt vor knapp 100 Jahren wird geschildert, was sich diesbezüglich im Jahre 1713 ereignet haben soll. Nach einem Dämmerschoppen im Ratskeller bat ein Hofrat Dr. Frauendorff auf dem Heimweg den Oberkämmerer Johannemann, sich im Stadtrat für die Beleuchtung der Straßen einsetzen, wie es schon in Dresden und Leipzig der Fall sei und es auch vom Landesherrn Herzog Moritz Wilhelm gewünscht werde.
Als der Hofrat eine Woche später erfuhr, dass der Stadtrat nicht gedenke, diesbezüglich etwas zu unternehmen, erklärte er, „der Rat sei in der letzten Zeit nicht immer den Forderungen der Gegenwart gefolgt, er werde ihn aber zwingen und schon morgen mit dem Aufrichten einer Laterne beginnen lassen.
Während der Ratssitzung am nächsten Vormittag sahen die Ratsmitglieder vom Fenster der Ratsstube aus, wie der Markt aufgerissen und ein Pfahl zum Aufrichten der ersten Laterne herbeigetragen wurde. Der Regierende Oberbürgermeister Krause erklärte, das „gegen die Anmaßungen des Hofrats Frauendorff endlich eingeschritten werden müsste, Frauendorff werde immer kühner und sein heutiges Verhalten gereichen dem Rate zum Despekt. Er beantragte, dem Maurer Einhalt zu gebieten und das Werkzeug wegnehmen zu lassen.“ Trotz der Warnungen eines Ratsmitgliedes wegen der guten Beziehungen Frauendorffs zum Herzoge stimmten die übrigen Mitglieder für den Vorschlag Krauses und dieser erteilte den Ratsknechten den Befehl, die „Gewerken und das Zeug auf das Rathaus zu bringen und das Loch wieder zuzuwerfen.“
Als der Hofrat Frauendorff davon hörte, fuhr er noch am selben Tage zum Herzog nach Zeitz und erzählte ihm, wie der Naumburger Rat die Einführung der Straßenbeleuchtung verhindert habe. Der Herzog ließ dem Naumburger Stadtrat erklären, dass alle Maßnahmen auf Betreiben der Stiftsregierung hin erfolgt seien und verlangte Gehorsam. Der Rat wendete ein, ihm sei von einem herzoglichen Wunsche nichts bekannt und es sei auch kein Geld dafür vorhanden. Außerdem sei eine Straßenbeleuchtung in Naumburg nicht notwendig, da “alhier gemeiniglich des abends bey Licht Zeit es auffm Marckte so stille ist, daß man offt in 1, 2 Stunden niemanden höret noch sehet.” Die Stiftsregierung verhängte daraufhin wegen “ungebührlichem Widersetzen” Geldstrafen über einzelne Mitglieder des Rates in Höhe von bis zu 200 Talern und befahl dem Rate die Einrichtung der Straßenbeleuchtung.
Nun veranlasste der Hofrat Frauendorff wahrscheinlich im Auftrag der Stiftsregierung die Anbringung von 100 Öllaternen in der Stadt. Der Stadtrat weigerte sich aber beharrlich, die dafür angefallenen Rechnungen zu bezahlen und das Ende vom Lied war, dass die beteiligten Handwerker auf ihren Rechnungen sitzen blieben. Nachdem die erste, auch nicht bezahlte Öllieferung verbrannt war, blieb es in der Stadt wieder dunkel und das rund 100 Jahre lang.

Nachdem 1804 in der örtlichen Presse das Bedürfnis nach einer Straßenbeleuchtung „lebhaft erörtert wurde“, diskutierte man im Jahre 1806 in einer Ratssitzung die Notwendigkeit einer öffentlichen Straßenbeleuchtung. Wegen mangelnden finanziellen Mitteln kam aber kein Beschluss zustande.
Anfang 1811 regte dann der Cämmerer Zätsch an, “sämmtliche Straßen und Gaßen hiesiger Stadt, mit Ausschluß der Freyheit und Vorstädte” beleuchten zu lassen. Er errechnete, dass die Unterhaltung einer Laterne jährlich reichlich 38 Reichstaler kosten würde und schlug vor, dass die Stadt die Summe für die Anschaffung von 33 Laternen vorschießen, den Betrieb der Beleuchtung später aber verpachten solle. Nachdem die Stiftsregierung in Zeitz einer Finanzierung durch die Erhöhung des Bürgergeldes zugestimmt hatte, wurde bald eine erste Laterne auf dem Marktplatz aufgestellt. 1815 kaufte die Stadt zusätzliche Laternen aus Leipzig und Weißenfels an. Mit der zunehmenden Anzahl von Laternen stiegen natürlich auch die Kosten für deren Betrieb an, im Jahr 1816 waren es schon rund 1368 Taler. Deshalb beschloss der Stadtrat Anfang 1817, die Beleuchtung zu verpachten und schrieb diese Leistung aus.
Letztendlich erhielten der Leinewebermeister Karl Gotthelf Richter und der Seilermeister Johann Friedrich Knoblauch aus Naumburg, die im Vergabeverfahren zunächst miteinander konkurriert hatten, gemeinsam den Zuschlag für jährlich 1.496 Taler. Ihre Pflichten waren in einem Beleuchtungskalender genau festgelegt, bei hellem Mondlicht wurden die Laternen nicht angezündet.
Ab 1826 übernahm Knoblauch den Beleuchtungsdienst für 994 Taler allein, 35 Laternen mit 95 Flammen hatten jährlich 2000 Stunden zu brennen.

Ab 1829 trat der Laternenfabrikant und Teilhaber der “Gesellschaft zur Beleuchtung der Städte”, Johann Wilhelm Schmitz aus Elberfeld, als Pächter in den Vertrag ein. Er erhielt für die nächsten 12 Jahre den Auftrag zum Betrieb der nunmehr 42 Laternen und bekam dafür jährlich 985 Taler. Vereinbart wurde nach vorgegebenem Beleuchtungskalender eine Beleuchtungszeit von 200 Tagen zu 1250 Stunden.

Nach dem Auslaufen des Vertrages im Jahr 1841 übernahm die Stadt selber die Beleuchtung. Unter Vorsitz eines Magistratsmitgliedes bildete man eine aus mehreren Mitgliedern der Stadtverordnetenversammlung bestehende Beleuchtungskommission, “welche die Benachrichtigung der Laternenwärter, den Ankauf des Oels und die ganzen bei der Straßenbeleuchtung vorkommenden Geschäfte besorgt”.

Bis ins Jahr 1847 hingen die Laternen an Ketten, die quer über die Straßen gespannt waren. Danach wurden sie an den Häusern befestigt.

Trotz technischer Weiterentwicklungen der Laternen und des Einsatzes neuer Brennstoffe waren die Lampen nicht mehr als „trübe Funzeln“. Das änderte sich etwas, als ab 1853 als neuer Pächter die “Neue Beleuchtungsgesellschaft Hamburg” in Erscheinung trat, deren verbesserter Brennstoff eine Flamme mit einer Lichtstärke von 13 Wachskerzen lieferte. Auf lange Sicht erwies sich dieser Brennstoff aber als zu teuer, eine neue Lösung musste her. Gas war als Brennstoff weitaus billiger, doch woher nehmen?

In Hannover und Berlin hatte man schon 1825 bzw. 1826 die ersten Betriebe zur Gaserzeugung, Gasanstalten genannt, erbaut und in Betrieb genommen, andere große Städte wie Dresden und Leipzig folgten 1848, Halle 1856. Naumburg wollte „in einer öffentlichen, Jedermann so in die Augen fallenden Angelegenheit nicht hinter anderen, an Größe und Bedeutung ihr nachstehenden Städten, wie Zeitz, Weimar, Wittenberg, Gotha, Döbeln usw. zurückbleiben”, hatte aber kein Geld für eine solche Investition. Da ergriffen die Naumburger Kaufleute Adolf Mahr sen., Franz Julius Hoeltz und Hermann Jähnert die Initiative und stellten am 6. Februar 1857 den Antrag zur Errichtung eines Gasanstalt in Naumburg. Nach längeren Verhandlungen wurde dann im Dezember 1857 der Gesellschaftervertrag der „Naumburger Gasanstalt” unterzeichnet. Neben den genannten Kaufleuten war auch die Stadt Mitgesellschafter. In dem Vertrag verpflichtete sich die Gesellschaft, die Stadt mit aus Steinkohle erzeugtem Gas für die Straßenbeleuchtung zu beliefern. Auch private Kunden sollten zu Beleuchtungszwecken Gas beziehen können.
Auf einem Acker an der „Wethauer Straße“, seit 1877 „Weißenfelser Straße“, begann im Frühjahr 1858 der Bau des Werkes. Schon Anfang Juli startete auch die Verlegung des Gasrohrnetzes in der Stadt. Am 10. Oktober konnte dann „ein großer Teil der hiesigen Plätze und Straßen zum ersten Male mit Gas erhellt und in dem mit vollständiger Gasbeleuchtung versehenen Börsensaale im Ratskeller ein von der Direktion der Gasanstalt veranstaltetes Souper stattfinden“ war im Kreisblatt zu lesen. „Den Glanzpunkt bildete der Marktplatz, wo außer den Laternen an 4 Ecken je ein großer Stern, in der Mitte aber auf dem großen Kandelaber der preußische Adler in Gasflämmchen prangte.

In der gesamten Innenstadt wurden die Öllampen zügig durch neue Gasleuchten ersetzt, vor allem in kleineren Gassen bleib aber die Ölbeleuchtung noch längere Zeit erhalten.
Die Umstellung der Beleuchtung von Öl auf Gas innerhalb von Gebäuden lief nur schleppend. Zwar ging die Stadt selbst mit gutem Beispiel voran, sie führte zunächst die Gasbeleuchtung im Rathaus, Ratskeller und den Läden sowie im Schießhaus ein, aber in Privatwohnungen war sie nur vereinzelt zu finden. Das Gas wurde zuerst fast nur zur Beleuchtung von Läden, Büro- und Fabrikräumen verwendet.

Anfang der 80er Jahre des 19. Jahrhunderts erschien eine neue Konkurrentin der Gasbeleuchtung, die Elektrizität. Allerdings noch nicht in Naumburg. Sie bewirkte aber offensichtlich, dass die Bemühungen, die Gasbeleuchtung zu verbessern, intensiviert wurden. Der Wiener Erfinder Carl Auer von Welsbach entwickelte den sog. Glühstrumpf, mit dem der Gasverbrauch erheblich verringert und die Lichtausbeute intensiver wurde. 1896 fing man auch in Naumburg an, die Straßenlaternen mit diesem neuen Auerbrenner auszurüsten.

Ende des 19. Jahrhunderts gingen die Meinungen zur Nutzung der Elektrizität weit auseinander, auch wenn ihr Siegeszug, wie wir heute wissen, nicht aufzuhalten war. In Naumburg gab es anfangs nur einzelne Insellösungen. So wird berichtet, das ein Herr Moritz Müller 1890 in seinem neuen Geschäftslokale in der Herrenstraße ein Elektrizitätswerk einrichten will, von dem auch andere Geschäfte Elektrizität beziehen können und 1897 soll im Dom erstmals eine elektrische Beleuchtung zur Anwendung gekommen sein.
Aber erst nach jahrelangem Tauziehen beschloss die Stadtverordnetenversammlung im Mai 1906 ein Elektrizitätswerk zu errichten, allerdings nicht zur Versorgung mit Lichtstrom, sondern für den elektrischen Betrieb der seit 1892 mit Dampf angetriebenen Straßenbahn. Am 2. Januar 1907 erfolgte der Start für den elektrischen Betrieb der Straßenbahn, die Nutzung der Elektrizität für die Straßenbeleuchtung war noch in weiter Ferne.
Der Sitzungssaal der Naumburger Stadtverordneten, die so lange um den Bau eines Elektrizitätswerkes gestritten hatten, wurde am 25. September 1907 erstmals elektrisch beleuchtet. Trotzdem ließ man noch 9 Jahre später zur Beleuchtung der Türmerwohnung eine Gasleitung in den Wenzelsturm einbauen.

In den 1920er Jahren wurde begonnen, die Straßenbeleuchtung auf elektrisches Licht umzustellen. Ab den Sommer 1923 wird über die Verlegung von Kabeln berichtet und im Oktober des Jahres ging die neue Straßenbeleuchtung auf und am Markt erstmals probeweise in Betrieb.

Verschiedene Gaslampen aber brannten noch bis weit in die 1950er Jahre. Die letzte Gaslaterne stand wohl in den 1960er Jahren noch in der Mariengasse/Ecke Wendenplan.

 

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