Die 900-Jahrfeier Naumburgs hätte ohne bürgerschaftliches Engagement nicht stattgefunden

20. September 2023

Die Verlegung des Bistums Zeitz nach Naumburg, die im Zusammenwirken von König Konrad II. und den Markgrafen Hermann und Ekkehard II. zustande kam und im Dezember 1028 von Papst Johannes XIX. beurkundet wurde, gilt gemeinhin als Gründungsjahr von Naumburg. Deshalb werden wir 2028 den 1000. Jahrestag der Stadtgründung begehen.

Zur Vorbereitung dieses Ereignisses haben erste Arbeitsgruppen ihre Arbeit aufgenommen und Anfang Oktober diesen Jahres wird mit Veranstaltungen „1000 minus 5“ der Countdown zum Jubiläum gestartet.

Aus diesem Anlass soll hier der Frage nachgegangen werden, wie das eigentlich mit der Vorbereitung und Durchführung der 900-Jahrfeier gelaufen ist. Das damalige Naumburger Tageblatt und ein Erinnerungsbuch „Naumburgs 900-Jahrfeier“ von Friedrich Hoppe liefern dazu viele Informationen.

Den Startschuss für die Vorbereitung einer Erinnerungsfeier an die Stadtgründung gab der Verein für Heimatgeschichte, der in seinem Jahresbericht 1926 auf das anstehende Jubiläum hinwies. Ein am 9. Mai 1927 veröffentlichter Sitzungsbericht enthielt eine Reihe von Anregungen für die Ausgestaltung des Jubiläums. Man wollte damit die öffentliche Kritik herausfordern und die Vorbereitungen in Gang bringen. Dabei war man sich bewusst, dass sich nur ein Teil der Vorschläge verwirklichen ließe. „Der Grundgedanke der Feier soll nicht Festtrubel sein, sondern Belebung von Handel und Wandel und Werbung für das schöne Naumburg. Darum soll das ganze Jahr 1928 im Zeichen der Jubelfeier stehen.

Parallel dazu erklärte der Innungsausschuss des Handwerks unter Vorsitz von Oskar Körner, die Maßnahmen des Magistrats zur Ausgestaltung der Feier zu unterstützen, um das Wirtschaftsleben der Stadt neu zu beleben. Auf einer Versammlung Ende Juli 1927 im „Schwarzen Ross“ beschlossen die Obermeister der Innungen, die Gewerbetreibenden und die Vertreter anderer Wirtschaftsgruppen im Zusammenhang mit dem anstehenden Jubiläum eine "Naumburger Handwerks-, Gewerbe- und Gartenbau-Ausstellung" unter dem Namen „Nauha“ zu organisieren, die den historischen Zusammenhang mit dem Naumburger Kirschfest erkennen lassen müsse und daher in den Kirschfestzelten unterzubringen sei. Diese solle vor dem Kirschfest stattfinden. Zur Vorbereitung wurde ein 16-köpfiger Arbeits-Ausschuss gewählt.

Die Stadtverordnetenversammlung befasste sich erstmals am 30. Juni 1927 mit der Feier, beschloss die Bildung eines gemischten Ausschusses zwecks Vorbereitung der Festlichkeiten und wählte die in den Ausschuss zur entsendenden Mitglieder. In ihrer Sitzung am 8. September 1927 bewilligte sie 5.000 Mark für die Vorbereitung und legte als Festtage den 22. bis 24. Juni 1928 fest. Obwohl „aller verschwenderischer Aufwand unterbleiben und größte Sparsamkeit herrschen sollte“, schätzte man die Kosten für die Feierlichkeiten auf rund 50.000 Mark, wovon 13.000 Mark durch Einnahmen wieder gedeckt werden sollten.

Zu Beginn des Jahres 1928 war noch völlig unklar, wie die Feierlichkeiten ablaufen sollten. Das neue Jahr wurde durch die Glocken der Naumburger Kirchen eingeläutet. Um die Mittagsstunde des Neujahrstages gaben die vereinigten Gesangsvereine im deutschen Sängerbund der Gruppe Naumburg mit über 300 Sängern auf den Markt bei starker Winterkälte ein Konzert.

In der ersten Ausgabe des Naumburger Tageblatts im neuen Jahr erschien eine vom Oberbürgermeister Dietrich verfasste verfassungsgeschichtliche und kommunalpolitische Betrachtung des Stadtgebietes. Heinrich Sieling begründete in einer historischen Abhandlung, warum gerade 1928 das Stadtjubiläum begangen wird.

Am 26. Januar 1928 brachte der Magistrat eine Vorlage in die Stadtverordnetenversammlung ein, die das vom Festausschuss und seinen zahlreichen Unterausschüssen vorgeschlagene, vom Magistrat aus Gründen der Sparsamkeit aber bereits zusammengestrichene Programm der Festlichkeiten vorsah. Diese Vorlage wurde in der Stadtverordneten-Sitzung vom 2. Februar 1928 zurückgewiesen. In einer nichtöffentlichen Sitzung fassten die Stadtverordneten stattdessen folgenden Beschluss: "Die 900-Jahr-Feier der Stadt soll mit Rücksicht auf die schweren wirtschaftlichen Verhältnisse in bescheidenem Rahmen begangen, in besonderen soll von einem historischen Festzuge abgesehen werden; über die Feier im einzelnen erfolgt im übrigen noch besondere Beschlussfassung."

Die Bürgerschaft, die sich von der 900-Jahr-Feier eine Belebung des Wirtschaftslebens erhoffte und der daran gelegen war, ihre Heimat weiten Kreisen noch bekannter zu machen, versuchte nun aus eigener Kraft, einen Festumzug zu organisieren. Am 18. Februar 1928 veröffentlichten namhafte Bürger einen Aufruf an die gesamte Bürgerschaft, an sämtliche Berufsorganisationen und Vereine, mit Spenden diese Bemühungen zu unterstützen. Dieser Aufruf fand leider nicht das erwartete Echo.

Als nächstes versuchte die Kramer-Innung mit einem Schreiben an den Magistrat und die Stadtverordnetenversammlung, über das am 20. März 1928 berichtet wurde, vielleicht einen Teil der Feierlichkeiten zu retten, in dem sie wenigstens für einen Hussiten-Festumzug am Sonntag vor dem Kirschfest warb. Doch auch diese Initiative blieb ohne Erfolg.

1 HerrmannUm doch noch eine würdige 900-Jahrfeier durchführen zu können, versuchte der Magistrat noch einmal, mit einem auf rund 18.000 Mark reduzierten Kostenvoranschlag die Stadtverordneten dafür zu gewinnen. Dieser enthielt u. a. die Veranstaltung eines Festspiels, eines Marktfestes und den Druck eines Festbuches. Da sich die Anfragen und Wünsche für einen Festzug immer mehr häuften wurden die Stadtverordneten außerdem dazu aufgefordert, nochmals die Veranstaltung eines Festzuges zu beraten. Dieser würde allerdings die Kosten um 17.500 Mark erhöhen, abzüglich der erwarteten Einnahmen von 10.000 Mark. Doch alle Bemühungen blieben vergebens, die Mehrheit der Stadtverordneten sah in der Versammlung am 22. März 1928 keinen Anlass, ihren ablehnenden Beschluss von früher zu ändern. Lediglich für den Vorschlag des Finanzausschusses, im Festmonat den Altersrentnern, Kleinrentnern, Sozialrentnern und Ortsarmen den doppelten Unterstützungsbeitrag zu gewähren sowie für den Aufbau einer stadtgeschichtlichen Ausstellung gab es eine Zustimmung. Darüber hinaus wurden noch 2.000 Mark für das Kinderkirschfest genehmigt. Daraufhin musste der Magistrat alle Vorbereitungen, bis auf die für den Kinder-Kirschfestzug, einstellen.

Doch die Bürger gaben nicht auf. Am 2. April 1928 beriet eine Versammlung von Vertretern der Naumburger Handwerkerschaft unter der Leitung von Obergildenmeister Oskar Körner über die im Vorjahr beschlossene Ausstellung „Nauha“ und die Veranstaltung eines Festumzuges und beschloss, diesen als Eröffnung der "Nauha" durchzuführen. Ein nochmaliger Hilferuf an die Stadt zwecks finanzieller Unterstützung blieb ohne Erfolg. Also galt es auf anderem Wege die notwendigen Mittel zu beschaffen. Oskar Körner und seine Mitstreiter warben bei alten und jungen Naumburgern in Nah und Fern um Spenden und dieser Ruf verhallte nicht ungehört. Auch Vereine und Körperschaften zeigten ihre Bereitwilligkeit, mit zu helfen. Und so kam es, dass Naumburg einen Festumzug erhielt, der dem Stadtsäckel nicht das geringste kostete. Als Zeichen der Dankbarkeit bekamen die freundlichen Spender geschmackvolle Ehrenurkunden.

Ende Mai waren die Vorbereitungen soweit getroffen, dass der Festausschuss, bestehend aus dem Obergildenmeister Oskar Körner, dem Stadtarchivar Hoppe, dem Direktor Bischoff, dem Verkehrsleiter Tollert und dem Kaffeehausbesitzer Furcht, erklären konnte, dass sich die geplanten Feierlichkeiten „mit ähnlichen, zum Teil viel teureren Heimatfesten getrost messen könnten.

Das die Festtage herannahten, war schon Wochen vorher im äußeren Stadtbild zu erkennen. Viele Häuser hatten zuvor einen neuen Anstrich erhalten und waren mit Birken, Kränzen und Girlanden an den einzelnen Geschossen geschmückt. Auch über die Straßen hinweg waren Girlanden, zum Teil mit einer goldenen 900 in der Mitte oder mit dem Stadtwappen und Wimpelketten in den Stadtfarben angebracht. Neben dem Straßen- und Hausschmuck nahm die festliche Ausstattung der Schaufenster einen besonderen Raum ein. Viele Geschäftsleute hatten es mit großem Geschick verstanden, ihre Auslagen auf den Charakter der Tage besonders einzustellen.

Am 9. Juni war es soweit, die Feierlichkeiten begannen mit der Eröffnung der "Nauha", der Naumburger Ausstellung für Industrie, Handwerk, Gewerbe und Gartenbau. Dazu fand sich eine große Schar Vertreter hiesiger und auswärtiger Behörden, Verbände und Vereinigungen, sowie eine stattliche Zahl Ehrengäste ein. Im Naumburger Tageblatt vom 9. Juni 1928 sind die 75 Aussteller und ihre Präsentationen detailliert beschrieben. Am gleichen Tag erschien eine Festausgabe des Naumburger Tageblatts, in der Geschichten aus Vergangenheit und Gegenwart zu lesen waren. Einen breiten Raum nahm u. a. die Beschreibung der Neubauten am Georgentor und der Neugestaltung des Bauernweges ein.

Einen Tag später gab es dann den großen Festumzug mit über 1 000 Personen aus Naumburg und Umgebung, darunter über 100 Reiter und 18 Festwagen. Oberstudiendirektor Prof. Dr. Ernst Borkowsky, zuletzt Direktor des Luisen-Oberlyzeums in Naumburg, hatte den Plan des Festumzuges entworfen und sich auch wesentlich um die Auswahl der Kostüme gekümmert. Am damaligen Kaiser-Friedrich-Platz, dem heutigen Heinrich-von-Stephan-Platz, trafen sich die einzelnen Gruppen des Festzuges, die Bilder aus der Stadtgeschichte darstellten. Diesen Bildern folgten die Aufzüge der Garnisonen, Innungen und Vereine.
Viele Autobusse und eine Reihe von Sonderzügen hatten zahlreiche Gäste nach Naumburg gebracht. Allein am Naumburger Hauptbahnhof wurden über 20.000 Personen gezählt. Hohe Temperaturen brachten es mit sich, dass eine größere Anzahl von Zuschauern während des über 2 Stunden dauernden Umzuges in Ohnmacht fiel und behandelt werden musste. Die "Nauha" hatte anschließend einen außerordentlich großen Andrang zu verkraften.

Am 17. Juni, dem letzten Ausstellungstag, gab es auf der "Nauha" noch einen besonderen Höhepunkt: eine Rose des Züchters Müller aus Almrich, Älteren auch heute noch als Rosenmüller in Erinnerung, wurde auf den Namen "Gruß an Naumburg" getauft. Am gleichen Tag wurde im Haus Markt 12 feierlich die Ausstellung "Naumburg im Wandel der Zeiten" eröffnet, eines der wenigen Projekte im Rahmen der Feierlichkeiten, das die Stadt finanziert hatte. In vier Räumen wurden die urkundlichen Grundlagen der Stadtgeschichte, die Entwicklung des Stadtbildes, Naumburg im Jahr 1928 und ein Naumburger Bürgerstübchen gezeigt. 

Als Abschluss der vom Festausschuss organisierten 900-Jahr-Feier fand am 23. Juni ein buntes Marktfest statt. Die Veranstaltung auf dem festlich geschmückten Platz war als farbige Trachtenschau gedacht, bei der alle Kostüme, die sich irgendwie in die Kulturgeschichte Naumburgs einfügen, willkommen waren. Auf dem Markt war ein großes Gedränge und alle von verschiedenen Gastwirtschaften aufgestellten Tische waren voll besetzt. Gesangliche und turnerische Darbietungen wechselten sich ab mit dem gemeinsamen Gesang von Volksliedern. Mit diesem Marktfest wurden die Feierlichkeiten hinüber geleitet zum letzten Höhepunkt, dem Kirschfest, dass vom 25. bis 29. Juni wie damals üblich veranstaltet wurde.

Vielleicht gibt dieser kleine, unvollständige Rückblick einige Anregungen für die Vorbereitung der bevorstehenden 1000-Jahrfeier.

 

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