Nach 150 Jahren steht die Germania noch immer stolz auf ihrem Sockel

10. November 2023

Am 2. November diesen Jahres jährte sich zum 150. Male die Einweihung des Kriegerdenkmals am Kramerplatz. Die Haltung der Menschen zu solchen Denkmälern ist zweifellos verschieden. Manchen dienen sie der Verherrlichung von siegreichen Feldzügen. Auf jeden Fall sind sie aber auch eine Erinnerung an das Leid der Gefallenen und ihrer Familien und damit eine Mahnung an uns alle. Wie kam es zur Errichtung dieses Denkmals?

In den Jahren 1864 bis 1871 führte Preußen, wozu Naumburg seit 1815 auch gehörte, mehrere Kriege, die als die Deutschen Einigungskriege in die Geschichte eingegangen sind, weil in deren Ergebnis 1871 das preußisch dominierte Deutsche Kaiserreich entstand. In diesen Kriegen fanden 91 Naumburger und Einwohner umliegender Dörfer den Tod.

Schon 2 Jahre nach dem ersten dieser Kriege, dem Deutsch-Dänischen 1864, gab es Forderungen der hier bestehenden beiden Kriegervereine, ein Denkmal zur Erinnerung daran aufzustellen. Sie verhallten aber weitestgehend ungehört. Doch nach dem Deutsch-Französischem Krieg 1870/71 wurde das Engagement dafür größer. Aus dem Naumburger Kreisblatt vom 19.07.1871 ist zu erfahren, dass sich „ein Verein von Bürgern aller Stände“ gebildet hatte, um „den im siegreichen Kampfe für die Erhebung Deutschlands zu seiner gegenwärtigen Macht und Herrlichkeit ruhmvoll Gefallenen, soweit die Stadt solche zu den ihrigen zählen darf, ein würdiges Denkmal zu errichten.“ Um das Projekt finanzieren zu können wurden Sammlungen gestartet und Veranstaltungen organisiert, „mit deren Ertrage, so es Gott gefällt, sich ein für die in den letzten Kriegsjahren gefallenen Helden ehrendes Siegesdenkmal der Stadt Naumburg hoffentlich in einer würdigen, den Wechsel längerer Zeiten überdauernden Form herrichten lassen wird.“ Außerdem gab es einige größere Spenden, die halfen, die auf 2.000 Taler veranschlagte Bausumme zusammenzubringen.

In der Stadtverordnetenversammlung am 22.04.1872 wurde diskutiert, inwieweit die Stadt das Vorhaben unterstützt. Konkret wurde „die Bewilligung einer Beihilfe durch Übernahme der Kosten für die Aufstellung von 4 Gascandelabern und Umgitterung des Denkmals“, beantragt. Die hiesigen Kriegervereine wünschten sich, das „dieses Denkmal auf unserem großen und schönen Marktplatze aufgestellt“ wird, „weil es diesen Platz und somit auch die Stadt zieren und hier vorzugsweise in die Augen fallen, auch eine frevelhafte Beschädigung desselben weniger als auf irgend einer anderen Stelle zu befürchten sein würde.“ Dieser Wunsch wurde von der Stadtverordneten-Versammlung „wegen vermeintlicher Beeinträchtigung des Mess- und Marktverkehrs“ abgelehnt, aber es wurde „die Übernahme der Kosten für die Umfriedung des auf irgend einem anderen beliebigen öffentlichen Platze aufzustellenden Denkmals aus städtischen Mitteln in Aussicht gestellt, vorausgesetzt, dass diese Kosten die Höhe von 300 Talern nicht übersteigen.“

Wie es auch heute nicht anders sein würde, gab es in der Folgezeit eine breite Diskussion der Standortfrage. Diese wurde erst beendet, als sich die Stadtverordneten-Versammlung am 28.03.1873 „mit dem Vorschlage des Magistrats, nach vorheriger Lokalbesichtigung, einverstanden“ erklärte, „das projektierte Kriegerdenkmal auf dem Schnittpunkte der verlängerten Salz- und Lindenstraße aufstellen zu lassen.“ Und das, „trotz der Bedenken, die von weitblickenden Köpfen gegen diesen Standort vorgebracht wurden.“

Schon die Grundsteinlegung am 11.05.1873 wurde ein feierlicher Akt. Im Kreisblatt vom Vortag ist zu lesen „Nächsten Sonntag, den 11. Mai, Vormittags 11 Uhr, findet die Feier der Grundsteinlegung des Kriegerdenkmals statt. Wir erlauben uns zu dieser Festlichkeit die Hinterbliebenen der Mannschaften aus Stadt und Kreis, welche in den letzten Feldzügen den Tod für das Vaterland erlitten haben, in das hiesige Rathaus um 10 ½ Uhr ergebenst einzuladen, und sich dem vorübergehenden Zuge gefälligst einzureihen. Das Comité zur Errichtung eines Kriegerdenkmals.“
Den Grundstein legte der damalige Landrat Daneil. Darin wurde eine kupferne Kapsel versenkt, die eine Urkunde und ein Namensverzeichnis derjenigen Personen enthält, „welche sich um die Herstellung des Denkmals in der einen oder anderen Weise besonders verdient gemacht haben.“ Am gleichen Tag fand „zur Feier der Grundsteinlegung zugunsten des Denkmalfonds im Bürgergarten ein Konzert des städtischen Musikchors und im Schießhausgarten ein Konzert des Musikchors der reitenden Abteilung des Magdeburger Artillerie-Regiments Nr. 4 statt.“

Ein knappes halbes Jahr nach der Grundsteinlegung, am 2. November 1873, war das Denkmal fertig und wurde feierlich enthüllt. Aus dem Kreisblatt vom nächsten Tag erhält man dazu viele Informationen. Schon am Vorabend gab es einen vom Musikcorps des Magdeburger Jäger-Bataillons Nr. 4 ausgeführten Zapfenstreich. Am anderen Morgen wurden die Festlichkeiten mit einem Reveille [Weckruf] des Musikcorps der reitenden Abt. des Magdeburger Feld-Art-Regiments Nr. 4 eingeleitet. Mit den Frühzügen der Eisenbahn trafen die „verschiedenen geladenen Krieger-Vereine aus den benachbarten Kreisen in beträchtlicher Anzahl mit ihren Fahnen und teilweise mit ihren Musikcorps ein“. Auf der Vogelwiese formierte sich ein Festzug, der sich 10:45 Uhr unter Vorritt eines alten Veteranen in roter Husaren-Uniform in Bewegung setzte. Durch das Jakobstor, die Jakobsstraße, um den Markt und dann durch die Salzstraße wurde zum Standort des Denkmals am Salzberg marschiert. Dieser, durch die freiwillige Feuerwehr abgesperrte Platz war mit „venetianischen Masten und Festons dekoriert“. Nachdem man hier Aufstellung genommen hatte, begann der Festakt mit dem Lied „Ehre sei Gott in der Höhe“. Danach übergab der Bau-Unternehmer Steinmetzmeister Politz das Denkmal an die Mitglieder des Komitees, das seine Errichtung vorangetrieben hatte.

Unter Salutschüssen der Artillerie, die einige Kanonen am Salztor aufgefahren hatte, wurde dann das Denkmal enthüllt. Das „außerordentlich zahlreich versammelte Publikum“ konnte nun erstmals das „in gothischem Stil gehaltene und aus feinem Seeberger Sandstein hergestellte Kunstwerk“ bewundern. „Auf drei breiten Stufen erhebt sich von vier fialengekrönten Strebepfeilern umschlossen, der bis zur Kreuzblume des Türmchens 36 Fuß hohe Aufbau, worin in Mitten des baldachinartigen mit Kreuzgewölbe gedeckten Raumes die Figur der siegreichen Germania aufgestellt ist. Diese ruht mit dem linken Fuße auf dem kräftigen massiven Sockel, in dessen drei Feldern die Namen der unter ihrem Panier [Banner] gefallenen Helden der Stadt Naumburg und der Umgegend in Lapidarschrift eine würdige Stelle erhalten haben, während das 4. Feld auf der westlichen Seite die Widmung trägt: ‚Dem deutschen Vaterland zum ewigen Ruhme, den Gefallenen zum ehrenden Gedächtnis, den Lebenden zur bleibenden Erinnerung, errichtet von dankbaren Bewohnern der Stadt und des Kreises Naumburg.‘ Die Germania ist angetan mit dem Kaisermantel und der Kaiserkrone, und schwebt über ihrem Haupte im Schlussstein des Kreuzgewölbes ein Eichenkranz. Das ganze Denkmal ist meisterhaft ausgeführt, die Steinmetzarbeit vom Steinmetzmeister Wilhelm Politz aus Bibra, die Statue vom Bildhauer Julius Moser in Berlin. Zum Schutze desselben ist ein eisernes Gitter angebracht, an dessen 4 Ecken je ein Kandelaber steht.“ Soweit die Beschreibung im Kreisblatt.
Nach weiteren Festreden „übergab das Komitee das Denkmal mittels einer besonderen Verzichtsurkunde der Stadt als Eigentum.“ Der damalige Bürgermeister Breslau nahm diese Urkunde mit dem im Namen der Stadt abgegebenen Gelöbnis entgegen, das „dieses Denkmal beschützt und beschirmt, bewacht und behütet werden solle, auf das es unversehrt übergehe auf unsere Kinder und Kindeskinder und sie stets gemahne, gleich ihren Vätern zu wetteifern in Liebe und Treue gegen König und Vaterland.“ Anschließend verkündete er im Namen des Magistrats, dass der Salzberg ab sofort Wilhelms-Platz (später Kaiser-Wilhelms-Platz, nach Wilhelm I.) heißen solle.
Nach weiteren Reden und Gesängen erfolgte der Rückmarsch durch die Linden- und Herrenstraße nach dem Markt, wo eine Parade abgenommen wurde, danach ging es zurück durch die Wenzelsstraße zur Vogelwiese.

Zum Andenken an den Tag wurde eine Medaille geprägt, welche auf der Vorderseite das Bildnis des Denkmals mit der Unterschrift: "Ein ehrender Denkstein" und mit der Umschrift: "Dem Vaterlande. Den Gefallenen. Den Lebenden" enthält. Auf der Rückseite ist das Wappen der Stadt Naumburg mit der Unterschrift: "Naumburg am 2. November 1873" und mit der Umschrift: "Die dankbaren Bewohner der Stadt und des Kreises." zu sehen.

Schon bald machte sich bemerkbar, was manche Leute früher schon befürchtet hatten, dass das Denkmal an einem ungünstigen Platz steht. Bereits 1875 und nochmals 1892 wurden aber Anträge zur Versetzung von der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt.

Mittlerweile hatte das Denkmal unter den Witterungseinflüssen gelitten, weshalb man 1928 eine umfassende Sanierung vornahm.
Mit dem zunehmenden Verkehrsaufkommen zeigte sich aber immer mehr, wie ungünstig der Standort mitten auf dem Wilhelmsplatz war. Der Gemeinderat sah das in seiner Sitzung vom 21.06.1937 auch so und beschloss einstimmig, das Denkmal in die Anlagen neben dem Platz zu versetzen.
Im Tageblatt vom 11.02.1938 wurde das den Lesern wie folgt erklärt: „So lange nun das Pferdefahrzeug, der Handwagen oder der Schubkarren den Fahrverkehr im Straßenbild allein bestritt, war das Denkmal an seinem Platz wohl kaum jemand im Wege. Als früher die Jahrmärkte noch hier abgehalten wurden, hatten sich die ‚Kaffeemühle‘ und noch zwei andere Karussells unmittelbar daneben aufgebaut, davor und seitlich reihten sich ein Affenzwinger, ein ‚Haut-den-Lukas‘-Stand und ein Kasperletheater an. Und trotzdem erlitt der Durchgangsverkehr wohl kaum eine Stockung. Seitdem aber der Kraftverkehr in den letzten Jahren einen so gewaltigen Umfang erreicht hat, ist das Denkmal infolge seiner Unübersichtlichkeit tatsächlich zu einen Verkehrshindernis geworden.“

Im Februar 1938 begannen die Arbeiten zur Versetzung des Denkmals, die bis zum Juni dauerten. Nachdem man das Fundament am neuen Standort fertig hatte, wurde das Denkmal auseinandergenommen, zum Teil zersägt und dann am neuen Ort wieder zusammengesetzt.

56 Jahre später war wieder eine „Kur“ des Denkmals dringend notwendig geworden. Witterungseinflüsse hatten es stark belastet, teilweise waren ganze Teile durch sogenannten Rostsprung zerstört wurden. Im Herbst 1994 begannen die Arbeiten, die nach einer Winterpause 1995 fortgesetzt wurden. Man musste das Eisen, das das Denkmal zusammenhält, erneuern und auch fehlende Teile nachbauen. Neben Fugenarbeiten und Steinmetzarbeiten wurden auch die Figur und die Inschriften erneuert.

 

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