Der Naumburger Töpfermarkt und seine Vorgänger

20. August 2025

Alljährlich findet bei uns am letzten Augustwochenende ein Töpfermarkt statt. Was ist der Ursprung dieses Marktes? Zur Klärung dieser Frage müssen wir weit in die Geschichte der Stadt Naumburg zurückblicken.

Bekanntlich geht man heute davon aus, dass Anfang des 11. Jahrhunderts das mächtige Thüringer Grafengeschlecht der Ekkehardinger nicht weit von ihrem alten Familiensitz Gene (Kleinjena), da wo heute das Oberlandesgericht steht, eine neue Burg (Nuenburg/ Nuemburg) gründete. In den Schutz dieser Burg wurde mit Genehmigung von Papst Johann XIX. laut einer an Bischof Hildeward von Zeitz gerichteten Urkunde vom Dezember 1028 der Sitz des Bistums Zeitz verlegt.
Nach den Kirchengesetzen war es nicht gestattet, bischöfliche Sitze an zu kleinen und unbedeutenden Orten zu errichten, weshalb wir davon ausgehen können, dass hier alle Bedingungen für einen Bischofssitz erfüllt waren. Da die Erbauer der Burg in unmittelbarer Nähe eine kleine Stiftskirche gegründet hatten, war eine Kirche vorhanden, die „sich zur bischöflichen eigne“. Des weiteren existierte auf Initiative der Ekkehardinger nordwestlich der Burg das Benediktinerkloster St. Georg und südwestlich der Burg das Nonnenkloster St. Moritz, das vermutlich auch noch die Ekkehardinger gründeten. Damit, schreibt Heinz Wiessner in der GERMANIA SACRA, „entspricht die geistliche Topographie Naumburgs dem klassischen Bild einer Bischofsstadt.“ Nach der Übersiedlung, die wahrscheinlich 1032/33 abgeschlossen war, baute sich der Bischof östlich des heutigen Doms seinen Hof, der ihm als Wohnung diente, bis ihm 1046 beim Tode Ekkehards II. die Burg zufiel. Weiter ist bei Wiessner zu lesen: „In wirtschaftlicher Hinsicht muss angenommen werden, dass in Naumburg auch vor 1028 schon eine kleine Ansiedlung von Handwerkern und Händlern vorhanden war. Der Ort erhielt bedeutenden Auftrieb, als die Markgrafen die Kaufleute in Gene an der Unstrut zur Übersiedlung nach Naumburg veranlassten. Bischof Kadeloh erwirkte 1033 ein königliches Privileg für die übersiedelnden Kaufleute, wodurch er praktisch zum Gründer der Stadt Naumburg wurde, deren erster kleiner Markt offenbar der Platz östlich des Doms war.“
Der Standort der neuen Stadt war gut gewählt, kreuzten sich hier doch zwei wichtige Heer- und Handelsstraßen. Als Ost-West-Verbindung gab es die sog. Königsstraße, die vom Rhein kommend über Eisenach, Erfurt, Eckartsberga, an Naumburg vorüber, weiter nach Weißenfels und Leipzig führte. Die Nord-Süd-Verbindung war die sog. Nürnberger, auch Buchstraße, die von Nürnberg und Bamberg kommend über Coburg, Saalfeld, Rudolstadt, Jena, Camburg, Neuflemmingen nach Naumburg und von hier aus weiter nach Leipzig führte. Das waren ideale Voraussetzungen für die Entwicklung Naumburgs als Umschlagplatz vieler Waren.

Man kann davon ausgehen, dass hier regelmäßig Handelsmessen, wie wir es heute nennen, früher als „Jahrmarkt“ bezeichnet, stattfanden. Der Begriff „Messe“ wurde dafür erst später verwendet. Ab wann diese Jahrmärkte stattfanden ist unbekannt.
Sixtus Braun erwähnt in seinen Annalen erstmals einen St. Peters Markt im Jahr 1305. Danach hatte der Rat verboten, dass „kein Fremder Herrengewand verschneiden dürfe, außer St. Peters Markt.“ In den nachfolgenden Jahren finden sich viele Bemerkungen zu Ereignissen und Festlegungen zu diesem Markt, der in der Zeit des Namenstages der Schutzpatrone des Naumburger Doms, Peter und Paul (29. Juni), stattfand. Hier wurde mit unterschiedlichsten Waren gehandelt, wie z. B. Tuchen, Stoffen, Pelzen, Garn, Fischen, Getreide, Hopfen, Waid, Wein und Bier. Diese zogen nicht nur Händler an, sondern weckten auch Begehrlichkeiten bei Raubrittern und Wegelagerern. Um sich davor zu schützen erwarb Naumburg vom Kaiser Karl IV. einen Schutz- und Geleitbrief, der den Händlern und Reisenden im gesamten Reich sicheres Geleit und Schutz für ihr Leben, Hab und Gut versprach. Das trug nicht unerheblich zur Entwicklung des Handelsplatzes bei.

Messen waren für die Städte, in denen sie stattfanden, gewinnbringende Veranstaltungen, solange nicht zur gleichen Zeit oder in der Nähe des jeweiligen Ortes auch Messen abgehalten wurden. Deshalb versuchten sie vom jeweiligen Landesfürsten, aber noch lieber vom Kaiser ein Messeprivileg zu erhalten. Ein solches legte fest, wann und wo eine Messe stattfinden durfte und in welchem Umkreis das nicht erlaubt war.

Auch Naumburg bemühte sich ein solches Privileg zu erhalten. Das gelang 1514. Kaiser Maximilian I. bestätigte, "... dass unsere und des Reiches lieben, getreuen Bürgermeister, Rat und ganze Gemeinde der Stadt Naumburg vorgebracht und zu erkennen gegeben haben, wie sie je und je eine lange Zeit über Menschengedächtnis alle Jahre jährlich zwei Jahrmärkte mit fürstlicher Freiheit vor und nach, nämlich den ersten auf Sankt Peter und Paul heiligen Aposteltag und den anderen Jahrmarkt auf den grünen Donnerstag, gehabt haben…“.
Weil der erwähnte „Gründonnerstagmarkt“ in die „heilige Marterzeit fällt, zur Ehre Gottes und der Menschen Seelenheil halber“, bat der Naumburger Rat den Kaiser, den Markt zu verlegen. Dieser stimmte zu und legte als neuen Termin acht Tage vor dem Tag des Heiligen Dionysius (9. Oktober) fest.

Leipzig, das schon einige Jahre vorher ein Messeprivileg erhalten hatte, widersprach dieser Entscheidung, weil rund um den 29. September sein Michaelismarkt stattfand und weil ihm derselbe Kaiser sieben Jahre früher zugesagt hatte, dass innerhalb 15 Meilen im Umkreise kein neuer Markt errichtet werden solle. Der Rat der Stadt Naumburg berief sich zwar darauf, dass es nicht um einen neuen Markt gehe, sondern um die Verlegung eines alten, der noch dazu weiter als der Leipziger zurückreiche. Leipzig blieb jedoch bei seinem Widerspruch, unterstützt durch seinen Landesherrn und auch durch eine Bulle des Papstes vom 15. Dezember 1514. Naumburg wählte nun statt des Herbsttermins den Sexagesimaesonntag (etwa 60 Tage vor Ostern) als Markttag und ließ es nicht an Anstrengungen fehlen, sein gutes Recht durchzusetzen. In einer Naumburger Chronik ist darüber zu lesen: „Immer wieder wandte sich der Rat durch Abordnungen und mit Bittbriefen an den Bischof, an den Kurfürsten, an den Kaiser, an den Reichstag sogar. Klagelieder wurden gesungen und durch ‚Verehrungen‘ Fürsprecher gewonnen, Untersuchungen zugesagt, Verhandlungen eingeleitet, dicke Akten vollgeschrieben, Vertröstungen und Versprechungen gegeben — zuletzt kam überhaupt keine Antwort mehr.

Jahre und Jahrzehnte vergingen, Fürsten und Kaiser starben, und andere bestiegen den Thron, ein Ratskollegium folgte dem andern, die Reformation machte dem Bistum ein Ende, der 30-jährige Krieg begann und ward beendet, alles änderte sich — die Marktfrage allein blieb unverändert und ungelöst. Erst 1662 nahm Herzog Moritz die Sache wieder in die Hand und verfügte kurz und bündig, es solle trotz Kaiser und Kurfürst und trotz dem Leipziger Rate dabei bleiben, dass der Markt zu Sexagesimae abgehalten werde. Nun neues Streiten, neues Prozessieren, neues Verhandeln! Endlich kam es 1667 (über 150 Jahre später), zu einem Vergleich: Der Naumburger Rat verzichtete auf seinen Sexagesimaemarkt, sollte aber befugt sein, vom Montag nach Palmarum (Palmsonntag, Sonntag vor Ostern; für auswärtige Händler schon von Sonntagmittag ab) bis zum Mittwochabend einen gemeinen Land- und Jahrmarkt zu halten, aber ohne Messvorrechte und sonstige besondere kaiserliche Privilegien.“ Und so wurde aus dem „Gründonnerstagmarkt“ der Palmarummarkt. 

Im Gegensatz zu diesem Markt gab es über die Peter-Pauls-Messe nie Streitigkeiten, ihre „Daseinsberechtigung“ wurde in einer Reihe später erstellter Urkunden immer wieder bestätigt. Kriege, insbesondere der Siebenjährige, führten allerdings zum fortschreitenden Verfall dieser Messe. Einerseits konnte nicht mehr viel Geld verdient werden, weil Kaufleute weg blieben, Einfuhrverbote die Geschäfte behinderten, Zollbeschränkungen aufgehoben wurden usw. und andererseits von der Stadt riesige Kontributionszahlungen gefordert wurden. So konnte sich Naumburg immer weniger gegenüber der Leipziger Messe behaupten.
Bemühungen, die zwischen 1818 und 1831 unternommen wurden, außer der Peter-Pauls-Messe noch eine Wintermesse durchzuführen, zeigten auch keinen wirtschaftlichen Erfolg.
Mit der Entstehung des Eisenbahnwesens und des Frachtverkehrs ging es mit der Messe immer weiter bergab. 1882 erwog man schon, die Messe ganz aufzugeben, fällte aber im Hinblick darauf, dass etwas aufzugeben leicht sei, aber niemals wieder eingeführt werden könnte, keinen Beschluss. 1904 konnte man dazu im Kreisblatt lesen: „In unserem schnelllebigen Zeitalter, wo Dampf, Elektrizität usw. zusammenarbeiten, die Menschen und die Weltteile einander näher zu bringen, da sind die Messen nur noch große oder kleine Jahrmärkte. Von ihrer großen ehemaligen kulturellen Aufgabe, Gelegenheit zu großen Verkaufs- und Kaufgeschäften zu geben, ist nichts mehr verblieben, als der Kleinhandel, der sich auch heute nur noch kümmerlich durchschlägt. Die großen Handels- und Warenhäuser bieten jetzt dem ‚modernen‘ Menschen alles, was nur seine Sinne erdenken könnten.“
Im Jahre 1908 kam der Gedanke erneut auf, die Messe aufzugeben und an ihrer Stelle einen Herbstmarkt von zwei bis drei Tagen einzuführen. Im Frühjahr 1909 war dann im Kreisblatt zu lesen: „In der letzten Stadtverordnetensitzung wurde bekannt gegeben, dass der Provinzialrat die Verlegung der Peter-Pauls-Messe genehmigt hat; sie soll statt vom 20. Juni bis 5. Juli als dreitägiger Herbstmarkt abgehalten werden. In dem laufenden Jahre 1909 wird die Messe aber noch an den bisherigen Tagen stattfinden, und erst 1910 die Neuordnung in Wirksamkeit treten, weil in Bekanntmachungen, in den Kalendern usw. bereits die gewöhnliche Marktzeit angegeben ist und sonst Verwirrung entstehen würde.“ 

Kommen wir zurück zum Palmarummarkt. Anfang 1893 wurde auf einer Stadtverordnetenversammlung folgendes bekanntgemacht: „Nach einer Mitteilung des Magistrats hat der Herr Regierungspräsident verlangt, dass der Topfmarkt vom Palmarum-Sonntage auf einen andern Tag verlegt werde, weil das Gesetz über die Sonntagsruhe den Handelsverkehr an Sonntagen verbiete und weil eine Verordnung des Oberpräsidenten von 1879 die Abhaltung von lärmenden Vergnügungen usw. in der Karwoche untersage.“ Nach langen Diskussionen einigte man sich auf eine Verschiebung des Marktes auf das Wochenende nach Ostern. Schon bald wurde der Jahrmarkt wegen seiner vielen zum Verkauf gelangenden Töpferwaren im Volksmund als Topfmarkt bezeichnet, 1908 erhielt der Markt durch Beschluss der Stadtbehörden im Rahmen ihrer Etatberatungen auch amtlich diesen Namen.

Einer Schilderung im Naumburger Tageblatt, wie es vor rund 100 Jahren auf dem Topfmarkt zuging, können wir folgendes entnehmen: „Wer erinnert sich nicht mehr der Zeit des Topfmarktes, als die Budenstadt vom Salztor bis zum Marientor reichte! In den 80er Jahren war es zwar erst der Teil der Lindenstraße, der von der Salzstraße bis zur Fischstraße mit allerlei Buden besetzt war. So standen damals am Kriegerdenkmal meistens die Karusselle. An die Karusselle reihten sich eine Reihe Händler an, die hier zum Topfmarkt die ersten Apfelsinen feilboten, oder auch das Topfmarktsgebäck‚ ‚Tautäffchen‘ und ‚Windbeutel‘ anpriesen und in großen Mengen verkauften. Die Reihe der Buden wurde hierauf meistens mit den Schießbuden eröffnet. Weiter kam man dann an die Buden mit ‚Panoramen‘, in welchem man die neuesten Weltereignisse im Bilde durch Vergrößerungsgläser betrachten konnte. Daneben fehlte auch die Wahrsagerbude nicht. Am Reußenplatz machten sich die Leierkastenmänner breit. Von da ab standen beiderseits die Verkaufsbuden, westlich die Händler mit Männersachen und Frauenkleidern, anschließend mit allerlei Konfektions- und Kurzwaren. Gegenüber standen die Buden mit Mailänder Schmuckwaren und solche mit Kunstwerken in Bildern, Figuren oder auch in Musikinstrumenten und künstlerischen Handarbeiten. Danach folgten Händler mit Holzsachen und Haushaltungsgegenständen vielerlei Art. Es waren aber auch Verkaufsbuden auf dem Marktplatz und am Dom aufgestellt. Später gingen Bestrebungen dahin, die Abhaltung des Topfmarktes auf den Marktplatz, Holzmarkt und die Vogelwiese zu beschränken, wo Verkaufsstände und Buden, wie auch Schaustellerbuden usw. aufgeführt werden konnten, während der Steinweg und Domplatz wie althergebracht den Porzellan- und Topfhändlern vorbehalten blieb. Mit Rücksicht auf viele Kleinhändler ist auch noch die Jakobspromenade zur Aufstellung von Verkaufsständen freigegeben worden. Auf der Vogelwiese war an Karussells, Schaukeln, u. a. Attraktionen kein Mangel. 1924 war hier sogar die ‚größte Figur-Achterbahn der Welt‘ aufgebaut.“
Ein Jahr zuvor wurde das Topfmarkt-Geschäft durch einen Streik beeinträchtigt. Ursache war das aus Sicht der Händler viel zu hohe Standgeld. Da die Stadt nicht nachgab, wurde der Streik nach zwei Tagen abgebrochen, nur eine Verlängerung des Marktes um einen Tag wurde zugestanden.

Der heutige Naumburger Töpfermarkt wurde in dieser Form erstmals 1992 auf dem Marienplatz in Naumburg veranstaltet. Die Initiative ging dabei vor allem von den Töpfern aus Naumburg und Umgebung aus, die gemeinsam mit Unterstützung der Stadt Naumburg die Organisation und Durchführung übernahmen. Seitdem hat sich der Markt zu einer festen Tradition entwickelt und ist heute einer der größten Töpfermärkte der Region.