Naumburgs Einwohner – geschätzt, berechnet, gezählt

20. Oktober 2025

Wie viele Einwohner hat Naumburg eigentlich und warum ist das wichtig zu wissen?

Die erste Frage beantwortete uns das Naumburger Tageblatt im Frühjahr dieses Jahres so: „Die Domstadt mit ihren 31 weiteren Ortsteilen ist um 278 Einwohner kleiner geworden und steht wieder bei 33.015 Bürgern – wie vor vier Jahren schon. Die Zahl der Geburten ist niedrig – und selbst die Zugezogenen gleichen die Sterbefälle nicht mehr aus.“ Diese Angaben stammen vermutlich vom Einwohneramt, wo alle Geburten, Sterbefälle, Zu- und Wegzüge registriert werden. Daneben werden immer mal wieder Volkszählungen, auch „Zensus“ genannt, durchgeführt, zuletzt im Jahr 2022. Außer der Ermittlung der Einwohnerzahlen diente dieser Zensus u. a. auch der Erfassung der durchschnittlichen Nettokaltmiete und der Art der verwendeten Energieträger für die Heizungen. Mit der Zählung wurden nicht nur internationale Pflichten erfüllt, sondern die Ergebnisse sind auch die Grundlage für politische und administrative Entscheidungen, z. B. die Einteilung von Wahlkreisen, dem Länderfinanzausgleich und der Stimmenverteilung im Bundesrat. Sie beeinflussen auch die Mittelverteilung an die Kommunen innerhalb der Bundesländer, etwa für Schulen, Sozialleistungen oder Infrastrukturprojekte. 

Volkszählungen sind keine Erfindung der Neuzeit, sondern wurden vereinzelt schon im Mittelalter zu bestimmten Zwecken vorgenommen. Überliefert ist z. B. eine aus dem Jahre 1449 in Nürnberg, mit der ermittelt werden sollte, wie lange die Stadt einer Belagerung standhalten könnte. Man erfasste damals 20 165 Personen, von denen 17 588 auf die bürgerliche Bevölkerung, 446 auf die Geistlichkeit und deren Anhang, 150 auf die jüdische Bevölkerung und 1 986 auf sonstige Nichtbürger entfielen.
Louis Naumann, Superintendent a. D. in Naumburg, berichtete 1913 auch über Volkszählungen in unserer Region. „Für das Amt Eckartsberga wurde 1647 eine solche Zählung veranstaltet; ihr Resultat hat sich aber nur für wenige Orte erhalten, wogegen das Resultat einer 1658 für das Amt Pforte vorgenommenen Zählung noch erhalten ist.“

Da früher nur vereinzelte Volkszählungen stattfanden, bzw. die Resultate solcher Zählungen häufig verloren gegangen sind, beruhen die Angaben von Einwohnerzahlen in Geschichtsbüchern meist auf Schätzungen. Kriterien dafür waren z. B. die Anzahl der wehrhaften Bürger oder der Verbrauch bestimmter Nahrungsmittel. Schätzungen waren damals wie heute in ihren Resultaten fraglich, weshalb die Ergebnisse mit Vorsicht zu genießen sind.

Neben den Zählungen und Schätzungen wurde noch einer dritter Weg zur Ermittlung von Einwohnerzahlen in früheren Zeiten gegangen. Man versuchte, diese zu berechnen, indem man annahm, dass pro Haus durchschnittlich ca. 5 Personen wohnten. Man multiplizierte also die Anzahl der Häuser einer Stadt, die man z. B. aus Steuerlisten entnahm, mit 5, zuweilen auch mit 5,5. Das Ergebnis war dann die gesuchte Zahl. Auf diese Weise wurde für 1410 die Bevölkerung von Rostock berechnet, wobei man ausgehend von 2 787 Haushaltungen auf 13 935 Personen kam.
Nach Naumann haben sich, zumindest bis 1913, im Dresdner Staatsarchiv die Landsteuerverzeichnisse vom Jahre 1499 aus dem ganzen Amte Eckartsberga erhalten, so dass man auf diesem Wege auch auf die Bevölkerungszahl schließen kann.

Ein kleiner Fortschritt könnte für die genauere Ermittlung von Einwohnerzahlen in früheren Jahren die Einführung der Kirchenbücher als Tauf-, Ehe- und Sterberegister sein, die hier etwa Mitte des 16. Jahrhunderts erfolgte. Das älteste in Naumburg bekannte derartige Kirchenbuch ist das der Gemeinde St. Wenzel aus dem Jahre 1567.
Unter der Annahme, dass jährlich eine bestimmte Anzahl Geburten auf 1 000 Einwohner kommen, könnte man daraus die Bevölkerungszahl ermitteln. Das Problem ist nur, das die Kirchenbücher nicht die Liste der Geborenen, sondern nur der Getauften enthalten. Es fehlen in ihnen sowohl die ungetauften als auch die totgeborenen Kinder. Auch darf man nicht erwarten, dass nun durchgehend detaillierte Zahlen über Geburten, Eheschließungen und Beisetzungen vorliegen. Die Ursachen dafür sind vielfältiger Art. Die Bücher wurden von unterschiedlichen Personen in unterschiedlicher Qualität geführt, mal war es der Pfarrer oder der Küster oder der Schulmeister. Auch sind durch elementare Ereignisse, wie Brände usw. Bücher nicht mehr vorhanden.

Ein großer Fortschritt für die Ermittlung von Einwohnerzahlen war zweifellos die Einführung der Standesämter ab 1. Oktober 1874. Mit dem am 9. März 1874 beschlossenen preußischen Gesetz über die „Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung“ wurde festgelegt, dass Eheschließungen, aber auch Geburten und Sterbefälle, künftig von einer solchen zivilen staatlichen Stelle durch einen Standesbeamten beurkundet werden müssen. Neben einer effektiven Methode der Volkszählung standen dem Staat damit u. a. auch Daten für die Eintreibung der Steuern und die Rekrutierung von Männern für den Wehrdienst zur Verfügung.

Wie verlief nun die Entwicklung der Einwohnerzahl Naumburgs? Ernst Borkowsky (1860-1947), u. a. ehemaliger Direktor des Naumburger Luisen-Oberlyzeums und Verfasser einer Stadtgeschichte Naumburgs, ging von 296 Häusern im Jahr 1300 und 840 im Jahr 1500 aus. Multipliziert man die Anzahl der Häuser mit 5 erhält man 1 480 bzw. 4 200 Personen. Borkowsky schätzt Anfang des 16. Jahrhunderts 5 000. Ein anderer Autor, Ernst Hoffmann, gibt in seinem 1901 veröffentlichten Werk „Naumburg im Zeitalter der Reformation“ eine Zahl von 8 000 Bewohnern an, einschließlich der in der Domfreiheit und den Vorstädten lebenden. Für 1614 nimmt Borkowsky 6 000 an, allerdings ist nicht klar, ob sich diese Zahl nur auf die eigentliche Stadt ohne Domfreiheit und Vorstädte bezieht oder nicht.
Einig ist man sich allerdings, dass sich die Einwohnerzahl bis zum Ende des dreißigjährigen Krieges im Jahr 1648 auf etwa die Hälfte reduziert hat.

Kriege gehen immer einher mit Verlusten an Menschenleben, die nicht nur durch Waffengewalt sondern auch durch Hunger und ausbrechende Epidemien zu beklagen sind. In Naumburg war das im 15. und 16. Jahrhundert vor allem die Pest, die hier grassierte. Sixtus Braun nennt hierzu die Jahre 1404, 1475, 1519, 1542, 1552 und 1575 mit vielen Opfern. Und Johann Bürger schreibt in seinen Annalen zum Jahr 1598 „In diesem Jahr ist ein Sterben zur Naumburgk gewesen, denn die pestis daselbst grassiret hatt. In der Stadt sind allein 884 Personen, … , gestorben, Auff der Freiheit 313, in der Vorstadt zu S. Othmar und zu S. Moritz 570, Summa 1767.“ Bis 1626 grassierte hier die Pest noch mehrmals.
Louis Naumann fand bei der Auswertung der Kirchenbücher der Naumburger Gemeinden St. Wenzel, St. Moritz, St. Othmar und der Domfreiheit heraus, dass sich in den Pestjahren 1598 und 1607 die Sterbezahlen auf das 8- bis 9-fache erhöhten, 1611 auf das 4-fache. 1616 verdoppelte sich die Sterbeziffer durch die Ruhr und 1626 forderte die Pest nochmal mit 799 Opfern das Dreifache der sonst üblichen Sterbezahlen.
Im 16. und 17. Jahrhundert wurde die Pest als bislang schlimmste Krankheit von den Pocken, auch Blattern genannt, abgelöst. In dem genannten Zeitraum starb ca. ein Drittel der europäischen Bevölkerung an dem Virus. 1641, vielleicht schon 1633, gab es möglicherweise die erste derartige Epidemie in Naumburg, die viele Menschen nicht überlebten.
Daneben waren es auch immer mal wieder Masern und die Ruhr, die Naumburg heimsuchten. Die rote Ruhr z. B. 1708, die u. a. nach Borkowsky „so wütete, daß man an manchen Tage 50 Leichen hinaustrug“.
Johann Karl Gottlieb Mann erwähnt in seiner „Chronik der Stadt Naumburg auf die Jahre 1800 bis 1814“ mehrfach das Auftreten der Pocken aber auch der Masern. So von Dezember 1801 bis April 1802, wobei „über 50 Kinder an dieser traurigen Krankheit starben“. Auch im November 1803 „grassierten die Pocken sehr bösartig; es starben viele Kinder daran, manchen Eltern zwey bis drey.“ 1812 betraf die Mehrzahl der in Naumburg Verstorbenen „die Kinder, von welchen die Masernepidemie viele wegnahm.“ 1814 schließlich „starben 28 Kinder an Blattern“.
Da keine verlässlichen Einwohnerzahlen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vorliegen, ist die anbei gezeigte Statistik für diese Zeit natürlich ungenau.

Kommen wir zurück zu den Volkszählungen. Nach Naumann „fand in den sächsischen Erblanden die erste Zählung der städtischen Bevölkerung 1697 statt, die erste allgemeine Landeszählung 1700, welcher 1718 eine zweite folgte.“ Die ermittelten Zahlen sind leider nicht verfügbar. Im Ergebnis der Zählung 1798 gibt Naumann 6 000 Naumburger an, 1810 waren es wohl 7 716.
In Preußen wurde die erste Zählung erst nach den Befreiungskriegen 1816 gehalten. Von da ab fanden aller 3 Jahre Zählungen statt. Nach der Reichsgründung 1871 wurde dann die erste, deutschlandweit vereinheitlichte Volkszählung durchgeführt, ab 1875 bis 1910 aller 5 Jahre.
Die für Naumburg in diesen Jahren ermittelten Zahlen wurden regelmäßig im Naumburger Kreisblatt, ab 1912 im Naumburger Tageblatt veröffentlicht. Die Einordnung dieser Zahlen ist mitunter schwierig, da sie z. B. „incl. Landwehr und Handwerksgesellen“, „ohne Landwehr, Artillerie, Intendantur, Gendarmerie, deren Angehörige und Dienstboten“ oder „incl. Militär“ angegeben waren.
Mehrmals findet man in der Presse auch die Anzahl der Einwohner in den einzelnen Straßen. Danach lebten z. B. 1885 in der Michaelisstraße mit 1022 die meisten Menschen, gefolgt von der Neustraße mit 773.
Eine weitere nachlesbare Statistik befasst sich mit dem hiesigen Gefängnis. Hier saßen 1878 insgesamt 716 Personen ein, pro Tag durchschnittlich ca. 130. „Außer dem Verbrechen der Majestätsbeleidigung haben fast alle Vergehen zugenommen, vermindert hat sich nur die Zahl der Diebe. Besonders stark hat sich die Zahl der jugendlichen Verbrecher vermehrt. Auch die Zahl der gefangenen Frauen hat zugenommen, 1878 ca. 40, sie sind meist frecher und unbußfertiger als die männlichen Gefangenen.“ Vielleicht spielte für diese Zahlen auch eine Rolle, dass 1876 hier für die ca. 16 000 Einwohner 74 Schankstätten und 50 Spirituosenhandelsgeschäfte existierten?

Die Volkszählung vom 1. Dezember 1910 ergab, dass die Naumburger Einwohnerzahl auf über 25 000 angewachsen war. Nach den damals geltenden Rechtsvorschriften konnte eine Stadt, die mehr als 25 000 Einwohner zählte, für sich einen selbständigen Stadtkreis bilden und aus dem bisherigen Kreisverband ausscheiden. Als Stadtkreis erlangte eine solche Stadt damals eine größere Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit. Solange eine Stadt der Verwaltung des Kreisverbandes, dem Landrat, unterstand, konnten viele örtliche Verwaltungsangelegenheiten nur nach Zustimmung durch den Kreisverband durchgeführt werden. Dazu gehörten u. a. das Wegerecht, die Festlegung von Baufluchtlinien und Bebauungsplänen einschließlich der damit verbundenen Anlegung und Veränderung von Straßen und Plätzen und das Baupolizeirecht, welches alle Fragen der Bauaufsicht regelt. Es dauerte bis zum 1. April 1914, bis nach langwierigen Verhandlungen innerhalb der Stadt und mit der Kreisverwaltung, Naumburg tatsächlich aus dem Landkreis Naumburg ausschied.

Während des 1. Weltkrieges wurden 1916 und 1917 Volkszählungen als Grundlage zur Verteilung von Lebensmitteln durchgeführt. Das waren aber keine regulären Zählungen, erst 1919 fand wieder eine solche statt.
Ab 1925 zählte man nicht mehr wie vorher üblich die „ortsanwesende Bevölkerung“, sondern die sogenannte “Wohnbevölkerung", also die Personen, die an dem betreffenden Ort ihren Wohnsitz hatten. Die Nationalsozialisten führten 1939 eine Volkszählung durch, wobei auch rassistische Kriterien erfasst wurden.

Im Vergleich zu manchen anderen Städten war Naumburg während des 2. Weltkrieges nur relativ wenig durch Bomben zerstört worden, deshalb war es schon in den letzten Kriegsmonaten Aufnahmeort für zahlreiche Flüchtlinge und Ausgebombte. Die Angaben zur damaligen Bevölkerungszahl schwanken zwischen 40 und 60 Tausend.
Am 29. Oktober 1946 wurde erstmals nach dem Krieg in allen vier Besatzungszonen Deutschlands unter Verantwortung der Besatzungsmächte eine Volkszählung durchgeführt. Dieser folgten in der späteren DDR vier Zählungen: 1950, 1964, 1971 und 1981. Die Ergebnisse sind im Stadtarchiv leider nicht auffindbar. Auch in der BRD wurde 1950 erstmals gezählt, danach alle fünf bis neun Jahre.
2011 wurde schließlich erstmals in Gesamtdeutschland ein registergestützter Zensus, also eine auf den Melderegistern basierende Zählung durchgeführt.

Nach der politischen Wende verringerte sich Naumburgs Einwohnerzahl stetig und sank 2005 trotz Eingemeindungen unter 30 000. Weitere Eingemeindungen 2010 brachten zwar einen kurzzeitigen Anstieg, dem folgte aber erneut ein Abwärtstrend. Die Zahl der Sterbefälle überwiegt deutlich die Zahl der Geburten und auch die zuletzt leicht steigende Zahl der Zuzüge kann diese Differenz nicht ausgleichen. Wir brauchen also wieder mehr Geburten, weshalb, wie im Frühjahr diesen Jahres im Tageblatt zu lesen war, sich die jungen Naumburger „darauf besinnen sollten, was im Leben wirklich Spaß macht“.

Den dargestellten Diagrammen liegen die im Text genannten Zahlen, sowie die Zahlen aus dem Naumburger Kreisblatt/Naumburger Tageblatt zu Grunde. Für die Zeit nach 1945 wurden die in wikipedia.org angegebenen verwendet.

 Einwohnerzahl Naumburgs 1300 bis 2024
 Einwohnerzahl Naumburgs 1880 bis 2024

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