Ein Weihnachtsbaum für alle
7. Dezember 2020
Der Weihnachtsbaum ist heute in den meisten Haushalten, aber auch in Betrieben, Behörden usw. nicht mehr wegzudenken. Rund 29,8 Millionen Bäume sollen es 2019 in Deutschland gewesen sein.
Und was würde die Bevölkerung sagen, wenn im öffentlichen Bereich, wie auf dem Naumburger Markt, nicht alljährlich ein solcher Baum aufgestellt würde?
Weihnachten ist bekanntlich das Fest, mit dem die Christen die Geburt von Jesus Christus feiern. Aber was hat unser Weihnachtsbaum mit diesem Fest zu tun? Eigentlich nichts, allerdings erfährt man, wenn man diverse Nachschlagewerke bemüht, dass der Schmuck von Wohnräumen durch immergrüne Bäume, Kränze und Girlanden schon vor Tausenden von Jahren üblich war.
Aber erst im 16. Jahrhundert sprach man erstmals von einem Weihnachtsbaum als Festschmuck. Es dauerte bis ins 18. Jahrhundert, bis unter den begüterten Bevölkerungsschichten der Brauch des Aufstellens eines geschmückten Baums populär wurde. Bei den weniger Begüterten reichte das Geld meist nur für einen Zweig. Erst ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden die Bäume dann erschwinglicher, weil vermehrt Tannen- und Fichtenwälder angelegt wurden.
Trotzdem konnte sich nicht Jeder einen solchen Raumschmuck leisten. Deshalb hat wohl am Vorweihnachtsabend des Jahres 1815 erstmals der Weimarer Buchhändler Wilhelm Hoffmann einen geschmückten Weihnachtsbaum für arme Kinder vor sein Geschäft gestellt. Dies soll der erste öffentliche Weihnachtsbaum in Deutschland gewesen sein. Der Brauch, einen „Weihnachtsbaum für alle“ aufzustellen, breitete sich rasch über Weimars Stadtgrenzen aus, bis er Naumburg erreichte, dauerte es aber noch eine ganze Zeit.
Man schrieb das Jahr 1930, als im Naumburger Tageblatt unter der Überschrift „Der Weihnachtsmann liest das Naumburger Tageblatt!“ zu lesen war, dass „auch in Naumburg wie anderwärts ein Weihnachtsbaum für alle aufgestellt werden soll. Aber der Weihnachtsmann verschmäht den Marktplatz. Dort ist es ihm zu laut. Er hat sich daher den Domplatz ausgesucht. Dort will er einen Lichterbaum hinstellen mit dem herrlichen Dom als Kulisse dahinter.“
Die Anregung, einen solchen Baum zu errichten ging nach Zeitungsberichten von der Domgemeinde aus. Da der Magistrat der Stadt ebenso wie die Domgemeinde dafür kein Geld zur Verfügung hatte, „half der Regierungspräsident in Merseburg mit einer namhaften Summe aus“, um den Naumburgern eine besondere Weihnachtsfreude zu bereiten. „Der Baum sollte vom Heiligen Abend bis Silvester brennen. Für jeden Nachmittag war gute Weihnachtsmusik geplant.“
Als die zahlreichen Kirchgänger am Heiligen Abend nach der Christvesper den Dom verließen, „erregte der Weihnachtsbaum draußen vor der Dreikönigskapelle eine geradezu andächtige Bewunderung. Allgemein freute man sich, dass nun auch die Menschen, besonders die Kinder, die daheim gar keinen oder nur ein kümmerliches Bäumchen haben, an dem wunderschönen Anblick dieses öffentlichen Weihnachtsbaumes ihre Freude haben konnten.“
Doch die Freude an dem Baum währte nicht lange. In der Nacht vom ersten zum zweiten Weihnachtsfeiertag verwüsteten „rohe Bubenhände“ den Baum. „Abgebrochen lagen die Tannenzweige und Lichter im Grase. Mit tiefer Empörung betrachteten Kirchgänger und Vorbeikommende am zweiten Weihnachtsfeiertag diese Freveltat.“
Und weiter ist im Naumburger Tageblatt zu lesen: „Halle hat seit Jahren einen öffentlichen Weihnachtsbaum, Weißenfels hat ihn, Zeitz hat ihn auch. Wenn wirklich, wie die Polizei annimmt, kirchenfeindliche Elemente als Täter in Betracht kommen, muss man ernstlich fragen, weshalb diese Elemente gerade hier in Naumburg so viel ungebildeter und unfeiner als anderwärts vorgehen. Der kirchlichen Sache haben sie sehr genutzt; den Naumburger öffentlichen Weihnachtsbaum haben sie gleich bei seinem ersten Brennen in der ganzen Stadt und darüber hinaus bekannt gemacht. Die Erbitterung über die Tat ist ungeheuer und stürmisch wird überall die Bitte geäußert, den öffentlichen Weihnachtsbaum an unserem Dom im nächsten Jahr wieder erstehen zu lassen!“
Zur Freude Vieler wurde diesem Wunsch entsprochen, auch in den Folgejahren konnte man sich an dem Baum auf dem Domplatz erfreuen.
Inzwischen steht seit vielen Jahren der „Weihnachtsbaum für alle“ auf dem Markt. In diesem Jahr ist es eine serbische Fichte, die am 10. November aufgestellt wurde. Möge ihr das Schicksal ihres Vorgängers aus dem Jahre 1930 erspart bleiben.