Vor 100 Jahren wurde das „neue“ Krankenhaus eingeweiht – „Was lange währt, ist gut“
10. September 2021
„Das neue Krankenhaus wird heute in Betrieb genommen. Den Fortschritt, der damit für unsere Stadt und ihre Umgebung erwächst, kann man gar nicht hoch genug einschätzen. Wir können sehr froh sein, dass uns die Inangriffnahme und Rohdurchführung des Baues in der Zeit des Friedens und den ersten Kriegsjahren diese Bereicherung der städtischen Bauten noch beschert hat.“
So beginnt der Bericht im Naumburger Tageblatt vom 1. September 1921 über die Einweihung des Krankenhauses in der Humboldtstraße, die „der Zeit angemessen in aller Stille erfolgte“. In seiner Begrüßungsansprache erklärte der damalige Oberbürgermeister Dietrich vor 40 geladenen Gästen „Was lange währt, ist gut“ und ging zuerst auf die Entstehungsgeschichte des Bauwerkes ein, die mindestens 20 Jahre zuvor begann.
Doch wir wollen zunächst noch weiter zurückschauen. Bereits ab 1816 war in Naumburg die Notwendigkeit der Einrichtung eines neuen modernen Krankenhauses erkannt worden. Bis dahin und noch einige Zeit länger, war das alte Krankenhaus in einem Teil des ehemaligen „St. Jakobs-Hospital vor dem Jakobstor“ in der Schönburger Straße untergebracht, worin sich bis mindestens 1815 auch ein Lazarett befand. Kranke Bürger und kranke bzw. verwundete Soldaten wurden dort gleichermaßen behandelt. Vor allem die fehlenden finanziellen Mittel verhinderten eine Änderung dieser Zustände.
Als sich in den 1840iger Jahren die finanzielle Situation der Stadt verbesserte, kam das Thema wieder auf die Tagesordnung. Im Jahr 1846 stellte der damalige Bürgermeister Rasch der Stadtverordnetenversammlung den Plan vor, mit einem Bau- und Einrichtungskapital von 7.000 Rt. am Standort Schönburger Straße einen dringend benötigten Neubau „für 24 Kranke männlichen und weiblichen Geschlechts, jedoch beide Geschlechter gesondert untergebracht“ zu errichten. Dieser Vorschlag scheint auf breite Zustimmung gestoßen zu sein, denn über Widersprüche ist nichts bekannt geworden.
Im März und April 1848 erfolgten auf dem alten Feldhospitalgelände die Abbrucharbeiten und anschließend ging es sofort an den Neubau, der schon im November 1848 im Wesentlichen abgeschlossen wurde. Obwohl 1884/85 eine Modernisierung erfolgte, erwies sich dieses inzwischen wieder „alte“ Krankenhaus zunehmend als unzureichend. Im Protokoll einer Stadtverordnetenversammlung aus dem Jahr 1899 findet man die Bemerkung, dass „die baulichen Verhältnisse dieses Gebäudes die allerungünstigen wären“, der Plan einer Veränderung aber daran scheitere, dass „zurzeit keine genügenden Mittel dazu vorhanden seien.“
Die eigentliche Baugeschichte des neuen Krankenhauses begann 1901, als ein neuer Entwurf vom Stadtbauamt ausgearbeitet wurde, der die Erweiterung des bestehenden alten Krankenhauses vorsah. Meinungsverschiedenheiten mit der Regierung in Merseburg einerseits und die Unzufriedenheit der Stadtverordneten mit dem Entwurf andererseits führten allerdings dazu, dass sich zunächst ein Jahrzehnt lang nichts in der Sache bewegte.
Das änderte sich erst im Frühjahr 1911, als eine Kommission der Stadtverordnetenversammlung folgenden, mit dem Präsidenten des Regierungsbezirkes Merseburg abgestimmten Antrag vorlegte: „Es wird beschlossen, dass am 1. April 1912 mit dem Bau eines neuen Krankenhauses mit 49 Betten begonnen wird. Um einen möglichst vollkommenen Bauplan zu erlangen, soll ein Wettbewerb ausgeschrieben werden, die in diesem Preisausschreiben festgestellten Baugelder werden vom 1. April 1912 ab bewilligt. Die Unterhaltungskosten für das nicht vor dem 1. Oktober 1913 zu belegende Krankenhaus werden ebenfalls bewilligt.“ Erstaunlicherweise wurde dieser Antrag nach kontroverser Diskussion von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig angenommen.
Die Ausschreibung für den Wettbewerb wurde im Frühsommer auf den Weg gebracht. Bis zum 1. Oktober 1911 konnten Entwürfe eingereicht werden, wobei die drei besten mit 2.000, 1.200 und 800 Mark honoriert werden sollten. Danach wartete viel Arbeit auf das zuvor bestimmte Preisgericht, denn es gingen 141 Entwürfe ein. Davon wurden allerdings gleich 107 als ungeeignet ausgesondert. Nach einer nochmaligen genauen Prüfung blieben nur noch zwölf Entwürfe übrig, die in die engere Wahl kamen. Mitte November war es dann so weit, als Preisträger wurden der Architekt Schembs aus Darmstadt, der Architekt Rost aus Stuttgart und die Architekten Karl Arp und Sommer aus Hamburg-Uhlenhorst gekürt. Anschließend wurden alle Entwürfe in der Aula und auf dem Boden der Marienschule ausgestellt.
Wer da glaubte, dass nun alle Weichen für einen raschen Baubeginn gestellt seien, wurde enttäuscht. Es tat sich erstmal nichts. Es kam der Herbst 1912, als man in einer Stadtverordnetenversammlung erfuhr, dass „an den Plänen noch einige Veränderungen getroffen sind, die eine nochmalige Vorlegung des Projektes bei der Regierung nötig gemacht haben.“ Heftige Diskussionen und Schuldzuweisungen folgten: „im Magistrat wolle man immer das Gegenteil von dem, was die Stadtverordneten beschließen“.
Vom Regierungspräsidenten war daraufhin zu erfahren, dass er „den Magistrat angewiesen habe, das vollständige Projekt der Stadtverordnetenversammlung zur Genehmigung vorzulegen und mir mit den Beschlüssen der städtischen Körperschaften zur Genehmigung einzureichen.“
Erst jetzt erhielten die Stadtverordneten den neuen Entwurf, der zunächst in der Gesundheits-, Bau- und Finanzkommission beraten werden musste. Im Ergebnis dessen gab es eine Reihe von Veränderungsvorschlägen, die das ganze Vorhaben weiter verzögerten.
Und wieder ruhte still der See, bis vom Magistrat im Februar 1914 zu hören war, dass der Krankenhausbau jetzt nicht mehr weiter hinausgeschoben werden darf. Er legte den Stadtverordneten einen Antrag zur Aufnahme eines Darlehns von 200.000 Mark vor, um die Baukosten in Höhe von 430.000 Mark aufbringen zu können. Dem stimmte die Versammlung einstimmig zu.
Mittlerweile war der Zustand des alten Krankenhauses wohl so schlecht, dass eine polizeiliche Belegungsbeschränkung verfügt wurde.
Endlich im November 1914 wurde in einer Stadtverordnetensitzung der letzte entscheidende Beschluss in dieser Sache gefasst. Das endgültige Projekt, vom Stadtbaurat Schröter entworfen, hatte die Kommissionen passiert und dort Zustimmung gefunden. Der ursprüngliche Plan, das neue Krankenhaus in die Nähe des alten an der Schönburger Straße zu setzen, musste aufgegeben werden, da das dortige Gelände nicht zur Verfügung stand. „Ein neuer und sehr geeigneter Platz ist auf dem Spechsart, in der Verlängerung der Artilleriestraße gefunden worden, der nun zur Ausführung bestimmt ist. Das Grundstück liegt an zwei zukünftigen Straßen und ist 70 m breit und 210 m lang. Das eigentliche Krankenhausgebäude kommt mit der Front an die Straße, an der das Luisenhaus liegt, und dringt mit einem langen Seitenflügel, der die Krankenzimmer enthält, und einen kürzeren Seitenflügel für die Isolierräume in das Grundstück ein. Das Krankenhaus soll 50 Betten im Hauptteil und 10 Betten im Isolierflügel, also 60 Betten, enthalten.“
Trotz des inzwischen ausgebrochenen Krieges wurden die Arbeiten noch im gleichen Jahr als Notstandsarbeiten in Angriff genommen. Bei den Ausschachtungen stieß man auf Sand, den man für die weiteren Bauarbeiten gleich verwenden konnte.
Obwohl es durch die Einberufungen zum Heer an Arbeitskräften mangelte, gingen die Arbeiten zunächst zügig voran. Im Mai 1915 wurde berichtet, dass „der Vorübergehende sich schon jetzt ein Bild von der Größe des Baus machen kann. Das aufgeführte Mauerwerk ragt schon über die Erde heraus.“
Im Herbst des Jahres heißt es: „In voller Gestalt steht der große Seitenflügel im Rohbau schon fertig da und das Dachgeschoss hat die Balkenlage bereits erhalten. Dieses Gebäude dürfte vor dem Winter noch unter Dach kommen. Das Hauptgebäude dagegen ist im Bau noch etwas zurück, wird aber bald weitere Ausführung erfahren.“
Zur gleichen Zeit wurde die Benennung der verlängerten Artilleriestraße in Humboldtstraße und deren Ausbau beschlossen.
Im Frühsommer 1916 war der Rohbau des neuen Krankenhauses „schon einige Zeit vollendet, und es wurde am Innenputz gearbeitet. Auch der Außenputz dürfte in Kürze in Angriff genommen werden. Der Mangel an Arbeitskräften lässt aber auch hier nur schrittweises Fertigstellen zu, so das noch geraume Zeit bis zur Schlüsselabgabe vergehen wird.“
Dann musste der Weiterbau unterbrochen werden. „Aber das Gebäude konnte wenigstens, um nicht tot dazuliegen, zu Heereszwecken genutzt werden.“ Dazu schloss die Stadt im Frühjahr 1917 einen Vertrag mit dem Militärfiskus ab, durch den das Gebäude als Massenquartier für das Jägerbataillon für jährlich 15.000 Mark zur Verfügung gestellt wurde. Von 1918 bis 1920 verwendete man es schließlich als Notquartier für Flüchtlinge.
Die danach notwendige vollständige Rekonstruktion und die Inneneinrichtung des Gebäudes wurden im Sommer 1920 begonnen, um es ab 1. Oktober endgültig seinem eigentlichen Verwendungszweck zuzuführen. Der dafür verantwortliche Stadtbaurat Hoßfeld warnte jedoch bezüglich des Termins vor übertriebenen Hoffnungen und sollte Recht behalten. Auch die bewilligten Mittel in Höhe von 1.100.000 Mark mussten im Frühjahr 1921 nochmal um 730.000 Mark aufgestockt werden.
Als Direktor des neuen städtischen Krankenhauses wählte der Magistrat unter 53 Bewerbern Dr. med. Erich Becker aus. Er erhielt einen Anstellungsvertrag für 8 Jahre und ein festes Jahresgehalt von 20.000 Mark nebst 50 % Teuerungszulage.
Auch ein neuer Einweihungstermin, Juli 1921, konnte nicht gehalten werden, doch am 1. September 1921 war es dann so weit, dass mit der Inbetriebnahme des neuen Krankenhauses mit nunmehr 86 Betten nach damaliger Einschätzung ein wesentlicher Schritt auf dem Gebiete der städtischen Fürsorge vorwärts getan wurde. Abschließend dazu Oberbürgermeister Dietrich: „Wenn wir bisher mit unserem alten Krankenhaus auf diesem Gebiete, ich darf wohl sagen, in der Reihe der Städte, in letzter Linie gestanden haben, so glaube und hoffe ich, dass wir nunmehr mit in die erste Linie vorgerückt sind.“