Wie der Naumburger Bürgergarten entstand

16. Juni 2022

Der Bürgergarten gehört so sehr zu den Sehenswürdigkeiten unserer Stadt, dass jeder Fremde, der hierher kommt und auch sonst nichts von ihr weiß, doch wenigstens von ihrem Kirschfest, von ihrem Dom und ihrem Bürgergarten gehört hat. Keiner versäumt daher auch, ihn zu besuchen und jeder Naumburger führt sicher seine auswärtigen Freunde zuerst auf den Bürgergarten.

Das schrieb Karl Schöppe (* 15.09.1851, † 26.01.1915), ein langjähriger Zeitungsredakteur und Naumburger Chronist im Jahre 1895. Ob diese Aussage bezüglich des Bürgergartens noch heute zutrifft, ist schwer zu sagen. Vielleicht animiert der folgende Rückblick auf seine Entstehung mal wieder zu einem Besuch.

Jedem der schon mal da war werden die dort „herumstehenden“ Gedenksteine aufgefallen sein. Jahn und Claudius sind den meisten Besuchern noch ein Begriff, aber Pinder, Vogel und Knauth sind eher unbekannt. Eberhard Kaufmann hat dazu im Burgenlandjournal im Jahr 2000 schon Erklärungen geliefert, deshalb soll hier im Zusammenhang mit der Entstehungsgeschichte des Bürgergartens nur die Rolle der Letzteren erwähnt werden.

Westlich von unserem Bürgergarten reichten im Mittelalter die Ausläufer des Buchholzes viel näher an die Stadt heran als heute. Nach ihrer Rodung wurden dort Felder, Viehweiden und Weinberge angelegt. Weiter östlich zogen sich wüste Hänge hin, von tiefen Hohlwegen und steilen, unregelmäßigen Wasserläufen zerklüftet, über deren Geröll bei starken Regengüssen kleine Bäche der Stadt zu rauschten. Dazwischen befanden sich unfruchtbare Halden, auf denen nur Unkraut und ein dürftiger Rasen wuchs, die von den großen Schafherden der Bürger genutzt wurden. Ganz im Osten des Höhenzuges aber ragte, weithin sichtbar, der Galgen auf dem städtischen Richtplatz empor, von dem dieses Gelände den Namen "der Galgenberg" trug. 1548 soll dort der erste hölzerne Galgen errichtet worden sein, der 1612 durch einen steinernen ersetzt wurde. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts fand wohl die letzte Hinrichtung statt.

Dieses Gebiet gehörte in den letzten Jahrhunderten der Naumburger Bürgerschaft. Damals nämlich befand sich der Kommunalbesitz nicht in einheitlicher Verwaltung, sondern neben dem Besitz der "Kämmerei", über den der Rat verfügte, war ein kleiner Teil Felder, am Galgenberg und am Marientor, Eigentum der "Bürgerschaft". Unter der Aufsicht des Rates verwalteten diesen Besitz die "Gassenmeister", gewissermaßen die Vorläufer unserer heutigen Stadtverordneten. In der Bürgerschaft machte man sich Gedanken über die Nutzung dieses Ödlandes in Naumburgs Süden und die Gassenmeister verhandelten im August 1764 darüber mit dem Rat.

Während dieser Verhandlungen wurde der Gedanke von einem Mann aufgegriffen, der für landwirtschaftliche Arbeiten eine besondere Neigung besaß. Das war der Regiments-Feldscher (d.h. Arzt) Kaspar Gottlob Trumpff des hiesigen sächsischen Infanterie-Regiments Prinz Xaver. Trumpff war in Deutschland weit herum gekommen und hatte lehrreiche Beobachtungen über den Wein- und Obstbau gemacht, die er nun in Naumburg anzuwenden versuchte.

Trumpff bat die Stiftsregierung in Zeitz, die staatliche Aufsichtsbehörde über die Stadt, ihm den Galgenberg gegen zehn Taler jährlichen Erbzins zu überlassen. Er wolle durch dessen Umgestaltung in Feld, Garten und Weinberg das Landschaftsbild verschönern und zugleich ein Beispiel zur Nacheiferung geben.

Trumpffs Bitte wurde allerdings nicht nachgekommen, da am 22. Oktober 1764 die Gassenmeister erklärten, sie selber wollten die Urbarmachung übernehmen. Sie beschlossen, das ganze Gebiet durch Zufüllen der Hohlen und Gräben einzuebnen, zu rajolen (tiefzupflügen) und als Acker zu benutzen. Die Hänge und die Wege aber sollten mit Obstbäumen bepflanzt werden; nur die Sandgrube am Boblaser Weg sollte erhalten bleiben.

Zur Ausführung dieses Beschlusses wählte man am 18. Februar 1765 in einer Bürgerversammlung aus jedem der sechs Naumburger Stadtviertel einen Bürger, darunter auch Trumpff. Mit für heutige Zeiten vermutlich undenkbarer Schnelligkeit wurde das Projekt vorangetrieben und schon im August nahm man die ersten 60 Taler von dem dort geernteten und versteigerten Hafer ein.

Im Herbst des Jahres wurde das ganze Terrain vermessen und in 21 Acker (1 Acker entspr. ca. 6.500 m²) aufgeteilt. Am 5. November 1765 schließlich wurden diese Parzellen in 7 Teilen für 6 Jahre verpachtet, pro Jahr für 60¼ Taler. Die Urbarmachung des Geländes wurde während dieser Zeit fortgesetzt. Da einige Pächter sich nicht an die Grenzen ihrer Parzellen hielten, kam es zu Klagen von Anliegern und nachträglichen Pachtforderungen. Bis 1795 wuchs die urbar gemachte Fläche auf 34½ Acker an und die Pachteinnahmen stiegen auf über 200 Taler pro Jahr.

Doch nicht bloß auf die Nutzbarmachung jener Gegend, sondern auch auf deren Verschönerung war man bedacht. Schon im August 1771 hatte Trumpff einen Acker Wüstung für 12 Jahre unentgeltlich erhalten und dieses Grundstück in einen Garten umgewandelt, der lange der "Regiments-Feldscher-Garten" genannt wurde.

Dieses Beispiel war es dann zweifelsohne, was den Obersten de Gonde, den Kommandeur des Regiments Xaver, veranlasste, am 17. April 1773 „den Platz am Galgenberg, wo sonst die Krähenhütte gestanden, in Form eines Dreiecks, ferner das mit Linden besetzte Stück nebst dem darüber gelegenen planierten Platz, auch weiter oben über dem Fahrweg einen selbstgefälligen Raum zur Krähenhütte und den Zwischenraum von den Linden bis an den Platz" für zehn Jahre und jährlich 2½ Taler zu pachten ohne Anspruch auf Ersatz etwaiger Aufwendungen für Verbesserungen.

Im März 1775 trat ein neuer Oberst, der Graf Zinzendorf, in die Pacht ein. Er erwarb sich um die Pflege und Erweiterung der Anlagen solche Verdienste, dass es in dem Vertrag, den man am 21. Juli 1777 mit ihm schloss, hieß: er „habe den ganzen Platz zur Zierde der Stadt mit vielen Kosten in einen wohl angelegten und nutzbaren Garten verwandelt, ingleichen die übrige umliegende Gegend mit gleichmäßigem eigenem Aufwand verschönert und verbessert“; deshalb soll der neue angelegte Garten zum ewigen Andenken seines Anbauers den Namen des „Gräflich v. Zinzendorfischen“ führen. Der Vertrag wurde nicht befristet, man erließ ihm das Pachtgeld und erlaubte ihm die beliebige Erweiterung des Gartens.

Drei Jahre später starb Graf Zinzendorf und sein Nachfolger, Oberst, v. Boblick, pachtete am 16. Oktober 1781 den Garten auf unbestimmte Zeit "nebst den darin befindlichen Gebäuden, Laubhütten, Hecken, Brunnen, Bäumen und den übrigen dazu gehörigen Stücken". In den ersten drei Jahre erließ man ihm die Pachtgebühr, weil da die jungen Obstbäume noch nicht trügen.

Am selben Tag wurde auch an den Feldscher Trumpff „das Stück Garten auf dem Galgenberge, welches er selbst angebaut und bisher innegehabt, nebst allen dazu gehörigen Gebäuden, Hecken und Bäumen" für acht Jahre und eine jährliche Gebühr von 3 Talern verpachtet. Als dieser am 2. September 1789 75jährig starb, behielt seine Witwe den Garten für 6 Taler noch bis 1795, ihrem Nachpächter Einecker aber wurde der Preis auf 15 Taler erhöht.

Inzwischen war der Zinzendorfsche Garten wieder auf einen neuen Regiments-Kommandeur, den Oberst v. Thümmel, übergegangen, der aber 1796 auf die weitere Benutzung verzichtete.

Dies bewog nun die Bürgerschaft, auf Vorschlag der Gassenmeister- Vorsteher, der Kaufleute Abraham Knauth und August Traugott Vogel, den Garten so zu verpachten, dass er „fortan der Allgemeinheit den Genuss und das Vergnügen gewähre, dessen bis jetzt die Pächter allein sich erfreut hatten“. So wurde der bisherige Garten der Garnisonskommandeure zum Bürgergarten.

Am 19. Februar 1796 schloss man in diesem Sinne zunächst auf drei Jahre befristet mit dem Bürger Reif einen Pachtvertrag über das Gelände nebst „Gebäude, Keller, Küche, Laubhütten, Hecken und Fruchtbäume“, der dafür ein jährliches Pachtgeld von 20 Talern zu zahlen hatte. Als Bedingung war formuliert, dass der Pächter „den Garten nebst Zubehör in gutem Zustande erhalten und gehörig bearbeiten lassen solle“. Außerdem wurde ihm die Erlaubnis erteilt, „Bier, inländischen Wein und Kaffee daselbst auszuschenken“.

Offenbar war aber das vorhandene Gebäude für den Betrieb einer gewinnbringenden Schankwirtschaft nicht geeignet und man befürchtete negative Auswirkungen auf den Pflegezustand der Gartenanlage. In einer Eingabe von Vogel und Knauth vom 2. Februar 1798 an den Rat heißt es nämlich: „Dieser Garten, dessen reizende Aussicht von dem noch nicht verwöhnten Auge eines jeden Fremdlings bewundert wird, würde aber gewiss in kurzer Zeit die Gestalt der vormaligen Wüstung annehmen, wenn nicht bald auf die Aufführung eines zweckmäßigen Gebäudes Bedacht genommen würde, da dem alten mit jedem Tage der Einsturz droht…. Allerdings sind wir wenig imstande, aus der bürgerschaftlichen Kasse den zur Erreichung unserer Absicht erforderlichen Aufwand zu bestreiten.“ Um das Geld aufzubringen schlug man vor, Aktien zu 50 Taler auszugeben.

Der Vorschlag von Vogel und Knauth wurde vom Rat genehmigt und fand bei dem „Gemeinsinne der Bürger eine willige Aufnahme“. So konnte noch in demselben Jahr der Bau des Gebäudes begonnen und das Richtfest im Sommer durch ein allgemeines großes Bürgerfest gefeiert werden. Im Jahre 1804 wurde eine neue Aktienzeichnung gleicher Art aufgelegt, um einen Pavillon zu erbauen. Dieser wurde leider um 1980 abgerissenen.

Das heutige Aussehen erhielt die Bürgergarten-Gaststätte nach 1845 durch eine teilweise Erweiterung an ihrer westlichen Seite, sowie 1855 durch den Anbau einer Kolonnade, die 1877 erweitert und 1934 geschlossen wurde, um den gewonnenen Raum auch im Winter nutzen zu können. 1877 entstand die dem Gebäude gegenüberliegende Musikhalle, die 1882 durch eine neue ersetzt wurde.

Dank des Naumburger Verschönerungsvereins wurde nach 1845 der bis dahin relativ kleine Garten umgestaltet und erweitert. Mit der Errichtung des Steingartens im Jahr 1930 und des Rosengartens im Jahr 1935, fand die Entwicklung des Bürgergartens im wesentlichen ihren Abschluss.

Heute kümmert sich das Naumburger Gartenbauamt liebevoll um die Pflege der Anlagen. Bleibt nur zu hoffen, dass möglichst viele Naumburger den eingangs zitierten Rat von Karl Schöppe befolgen.