Worum sich die Hunde am Naumburger Rathaus streiten
10. Februar 2011
Geht man vom Naumburger Marktplatz aus in Richtung Herrenstraße, kann man an der Nordost-Ecke des Rathauses unterhalb einer leeren Nische zwei an einem Knochen zerrende Hunde sehen. Warum ist die Nische leer und was bedeuten die streitenden Hunde?
Den Grund warum die Nische leer ist kenne ich nicht. Früher soll hier eine Holzfigur des heiligen Wenzels gestanden haben. Das es sich dabei um die seit Beginn des 20. Jahrhunderts im Stadtmuseum befindliche Statue des heiligen Wenzels handelt, ist eher unwahrscheinlich.
Bei den an einem Knochen zerrenden Hunden kann es sich nur um ein Sinnbild für Streitereien handeln, sonst wären sie wohl kaum am Rathaus angebracht worden. Aber was könnten das für welche gewesen sein?
Naumburg war seit seiner Gründung 1028 bis 1564 Bischofssitz. Der jeweilige Bischof war also die oberste Autorität in der Stadt. Mit der Entwicklung der Stadt und des Handels entwickelten sich auch das Selbstbewusstsein und die Selbstverwaltung der Bürger. Das führte in zunehmendem Maße zu Konflikten zwischen dem 1305 erstmals erwähnten Stadtrat und dem Bischof. In Sixtus Brauns „Naumburger Annalen“ kann man zahlreiche Streitfälle nachlesen. Es wird deshalb oft die Auffassung vertreten, dass das Relief an diese Streitereien erinnern soll.
Aber es gibt noch eine andere Deutung des Reliefs. An der Nordost- Ecke des Rathauses, welches erst seit seiner Neuerrichtung nach dem Brand 1481 bis hierher reicht, befand sich der Überlieferung nach der Pranger. Sixtus Braun schreibt in seinen „Annalen“ unter der Jahreszahl 1510: „Die Staupe auf dem Markt und der Schandstein, am Rathaus hängend, gehört dem Rate“. Das heißt, der Rat konnte bei kleineren Delikten Leute an den Pranger bzw. Schandpfahl stellen und auspeitschen lassen (stäupen). Mit dem Tragen des Schand- oder Lästerstein konnte bestraft werden, wer sich in unangemessener Weise über andere Menschen äußerte, also bei Verleumdungen oder Beleidigungen. Das Relief der an einem Knochen zerrenden Hunde könnte also, wie schon Wolfgang Kupler, ein Naumburger Heimatforscher erklärt hat, als Karikatur des Verhaltens von Streithähnen und als passender „Schmuck“ für den Pranger gedeutet werden.