4 Quellen, 4 Flüsse, 4 Bundesländer auf 2 Rädern entdeckt

19. Mai 2022

Wer einmal auf den Geschmack gekommen ist, will es meistens wieder tun. Man kann dabei die frische Luft und die Natur genießen und kluge Leute haben heraus gefunden, das es glücklich macht.

Wovon ist hier eigentlich die Rede? Natürlich vom Radfahren. In den letzten zwei Coronajahren war es kaum möglich, längere Touren zu machen. Doch nun schien es dem Autor an der Zeit zu sein, dies zu ändern. Früheren Fahrten nach Bremen im Norden und München im Süden sollte nun eine Rundtour folgen. Nach einer gründlichen Routenplanung sowie dem "Füttern" das Smartphones mit Offlinekarten galt es zunächst “Ross und Reiter” fit zu machen. Das Rad wurde einer Durchsicht unterzogen und es wurden hunderte Trainingskilometer “geschrubbt“. Die Karte
zur Tour:

Je näher der Tag der Abfahrt kam, umso intensiver wurden die Überlegungen, was alles mitzunehmen sei. Anfang Mai ist sowohl mit sommerlicher Hitze, als auch mit winterlicher Kälte zu rechnen, zumal geplant war, in über 900 m Höhe zu fahren. Hier war Optimierung angesagt, weil der Platz in den Packtaschen natürlich begrenzt ist.

Der Tag, an dem es endlich losging, begann mit strahlendem Sonnenschein und nur 6 Grad Celsius. Die Natur am Saaleradweg von Naumburg aus flussaufwärts zeigte sich von ihrer schönsten Seite. Grüne Wiesen, durchsetzt mit blühendem Löwenzahn, gelbe Rapsfelder, blühende Obstbäume, wohin das Auge sah. Idylle pur, wären da nicht hin und wieder die Traktoren gewesen, die endlose Staubfahnen hinter sich herzogen. Am Ortseingang von Jena war der Verlauf des Saaleradweges durchaus zum Vorteil der Radfahrer verändert worden, am Ortsausgang hatte man dagegen die Wahl, der Ausschilderung zu folgen, die irgendwann im Nichts endete oder seinem Navi zu vertrauen. Drei baustellenbedingte Umleitungen später und nach dem Passieren der Leuchtenburg grüßte bald in der Ferne die hoch über Rudolstadt liegende Heidecksburg. Direkt am Markt wurde ein Quartier bezogen, indem schon Goethe 1817 genächtigt hatte. Nach Aussage eines älteren Rudolstädters, mit dem es nicht schwer war, am Rathaus sitzend ins Gespräch zu kommen, ist diese Stadt nur ein besseres Dorf. Und tatsächlich hatte man beim Blick vom Schloss auf die Stadt hinab den Eindruck, als wenn man fast der einzige Mensch hier weit und breit wäre.

Am nächsten Morgen, als überall die Rasenmäher angeworfen wurden, hieß es Adé Rudolstadt und es ging weiter flussaufwärts. In Saalfeld war wieder die schwere Entscheidung zu fällen, wo lang fahren. Nach einer zunächst perfekten Umleitungsausschilderung wurde plötzlich nichts mehr angezeigt. Ein hoch dem Navi, das weiter half. Weiter ging es durch die schöne Landschaft, mal mit Asphalt, mal ohne, bergauf und bergab. Hatte man, vorbei am Pumpspeicherwerk, die Hohenwarte- Staumauer erreicht, konnte man sich eine Weile am Anblick des Stausees erfreuen. Danach wurde es anstrengend, bis nach Reizengeschwenda waren über 200 Höhenmeter zu überwinden. Nicht viel später begann die Schussfahrt hinab zur Anlegestelle der Mühlenfähre. Die schönen Höhenmeter. Die Mühlenfähre, Thüringens einzige Autofähre, überquert in wenigen Minuten den Hohenwarte- Stausee und spart dadurch einen Fahrweg von 33 km. Danach musste man sich die verlorenen Höhenmeter wieder erarbeiten, ehe man nach einer erneuten Schussfahrt nach Ziegenrück, der "Perle am Thüringer Meer" gelangte. Noch ein Stück weiter war Schloss Burgk eine sehenswerte Station, ehe das Tagesziel Saalburg, am östlichen Ufer der Bleilochtalsperre, erreicht war.

Am nächsten Tag, letzte Nebelfetzen hingen noch über dem Bleilochstausee, brachte der Wirt zum Frühstück einen, wie er es nannte, „Überlebensteller“, der seinem Namen alle Ehre machte. So gestärkt ging es weiter, die letzten Kilometer auf thüringischen Gebiet waren zu absolvieren. Himmlische Ruhe, nur unterbrochen vom Vogelgezwitscher und zuweilen vom Röhren der Motorsägen. Eine Schrecksekunde gab es, als plötzlich auf abschüssiger Strecke hinter einer Kurve zwei Autos nebeneinander standen. Hier mussten die Bremsen ihr letztes geben. Bei Blankenstein war man nach dem Überfahren der Selbitzbrücke in Oberfranken angekommen. Hinter Rudolphstein konnte beim Queren der A9 das Brückenrasthaus mal aus anderer Sicht bewundert werden. Weiter durchs Oberfränkische Land wäre bald Hof erreicht gewesen. Immer schön die Saale entlang, erklärte ein freundlicher Dorfbewohner. Doch er hatte die Rechnung ohne die Straßenbauer gemacht, denn bald begann die nächste Umleitung. Über Stock und Stein, bergauf, bergab ging es durchs Gelände. Zum Glück sah man ab und zu die Kirchtürme von Hof, sonst hätte man den Mut verlieren können. Allerdings war die Umleitung perfekt ausgeschildert, die Franken, die können es eben. Doch irgendwann war Hof erreicht und der Weg schlängelte sich weiter entlang der fränkischen Saale. 13 km vor der Saalequelle hieß es erst mal vom Saale-Radweg Abschied nehmen, denn das nächste Quartier wartete etwas abseits. Auf dem Weg dorthin gab es den einzigen Regenschauer der ganzen Tour.

Tag vier begann mit nebelverhangenem Himmel. Zum Glück war der Niederschlag vom Vortag nur von kurzer Dauer, so dass wettertechnisch dem Vorhaben, der Erreichung zweier Quellen, nichts mehr im Wege stand. Als erstes wurde Zell im Fichtelgebirge angesteuert. Nur zwei Kilometer entfernt befindet sich in 707 m Höhe die Quelle der Saale und so konnte am ersten Höhepunkt der Tour schnell angelangt werden. Nach einem kurzen Foto-Stopp ging es weiter, denn die Weißmainquelle wartete schon 16 km entfernt am Osthang des Ochsenkopfes, dem mit 1024 m Höhe zweithöchstem Berg des Fichtelgebirges. Die Weißmainquelle ist der Ursprung des Weißen Mains, der sich hinter Kulmbach mit dem Roten Main zum Main vereint. Auf feinkörnig geschotterten, gut befahrbaren Wegen musste man zunächst bis auf etwas über 900 m Höhe fahren, um dann die Quelle in 887 m Höhe betrachten zu können. Groß war die Freude, es dorthin geschafft zu haben. Ein Wanderer, der des Weges kam und Naumburg nicht kannte, verließ später den Ort mit neuem Wissen und trägt es hoffentlich in die Welt hinaus. Bergabfahrten sind fast so anstrengend wie Bergauffahrten. Das zeigte sich bei der Fortsetzung der Tour. Bis hinab nach Bischofsgrün, dem bekannten Kur- und Wintersportort, rollte man noch auf Waldwegen talwärts, anschließend auf Asphalt. Nach kurzer Zeit begann auf einer ehemaligen Bahntrasse ein Radweg, den man 11 km lang befahren konnte, ohne einmal in die Pedale zu treten. Da kann einem ganz schön kalt werden. Zum Glück zeigte sich später die Sonne. Kurz vor dem Tagesziel Mainleus wurde die heimliche Bierhauptstadt Kulmbach passiert, über der hochoben die Plassenburg liegt. Kulmbacher Bier ist sicherlich gut, zu einem Fränkischen Krüstchen schmeckte am Abend aber das Weismainer Flechterla besser.

Mit Sonne und der üblichen Morgenkälte ging es in den neuen Tag. Der Meinradweg nach Burgkunstadt und weiter nach Lichtenfels verlief vorbei an blühenden Rapsfeldern und grünen Wiesen, auf denen Meister Adebar auf Futtersuche zu beobachten war. Außer Hundehaltern, die ihre haarigen Hausgenossen ausführten, waren weit und breit keine Menschen zu sehen. Da der Meinradweg nur am Rande von Burgkunstadt vorbei führt, sollte man sich einen Abstecher bergauf in die historische Altstadt nicht entgehen lassen. Auf dem noch österlich geschmückten Marktbrunnen, der von Fachwerkhäusern umgeben ist, steht der heilige Nepomuk.
Schöne kleine Ortschaften säumten den weiteren Weg. Darin alte Kirchen, deren Spitzen scheinbar bis in den Himmel ragen. Daneben viele mit Sonnenpaneelen belegte Hausdächer, die Gegensätze könnten nicht größer sein. Die weit über die Grenzen Frankens hinaus bekannte Korbstadt Lichtenfels hatte auch etwas besonderes zu bieten. Wo anderenorts Wimpelketten über den Straßen hängen, waren es hier Körbe. Lichtenfels war für diesmal die letzte Station am Mainradweg. Nun führte die Route nach Norden, Richtung Coburg. Schon von weitem grüßte die Veste Coburg, eine der größten Burganlagen Deutschlands. In der Stadt angekommen, hieß es erstmal "Proviant fassen", denn die nächsten 3 Tage würde es an den Zielorten kein Frühstück, keine Einkehr- und keine Einkaufsmöglichkeiten geben. Anschließend führte der Weg hinauf zur Veste. Einige Schwierigkeiten, wie ein nicht befahrbarer Waldweg und eine abgerissene Brücke waren Schuld daran, dass der Weg zum Zielort Weißenbrunn vorm Walde, einem kleinen Ort in der Nähe des Froschgrundsees, 12 km länger als geplant war.

Weißenbrunn zeigte sich am nächsten Morgen im schönsten Sonnenschein. Nach nur einem Kilometer Fahrt war Thüringen wieder erreicht. Der Höhepunkt des Tages sollte der Besuch der Werraquelle werden, die sich in 797 m Höhe befindet. Nach einigen heftigen Auf- und Abstiegen war das erste Mal die Werra zu sehen, doch an der Stelle der beabsichtigten Querung war keine Brücke mehr vorhanden. Also das übliche: eine Alternative suchen. Dann hieß es wie immer treten, treten, treten. Am Beginn der Serpentinen, die nach Hinterrod hinauf führten war eine Warnung vor 7‑prozentiger Steigung angebracht. Aber bekanntlich ist auch der längste Berg einmal zu Ende und so konnte sich der bis dato einsame Radfahrer mit erstaunlich vielen Wanderern am Anblick der Quelle erfreuen. Bei der Abfahrt entlang des Werratal-Radweges Richtung Eisfeld mussten nur die Hände hart arbeiten, denn nun hieß es bremsen, bremsen. Plötzlich vielstimmiges Hundegekläff. An zwei Gespannen mit Schlittenhunden war vorsichtig vorbei zu fahren. Hinter Eisfeld ging die Fahrt dann durch das liebliche Werratal. Die Stadt Themar, das Tagesziel, ist mehr als 1 200 Jahre alt. Sehenswert waren dort vor allem schöne Fachwerkhäuser und die Stadtmauer mit gut erhaltenen Wehrtürmen.

Sonntägliche Stille lag über dem schönen Ort Themar, als die Fahrt am nächsten Morgen startete. Bis Meiningen führte der Werratal-Radweg entlang saftiger Wiesen mit grasenden Pferden, vorbei an mit Blumen geschmückten Rastplätzen und blühenden Apfelbäumen. Wäre man stur dem Radweg gefolgt, hätte man von den Sehenswürdigkeiten Meinigens gar nichts mitbekommen. Abseits des Weges war eine Menge zu entdecken, z. B. Schloss Elisabethenburg, die ehemalige Residenz der Herzöge von Sachsen-Meiningen. Hinter Meiningen folgten endlose Rapsfelder. Ein Stück weiter hatte jemand an eine Brücke geschrieben "Herzlich Willkommen in der Karneval- und Fachwerkstatt Wasungen". Auch hier dasselbe Spiel, nur wer vom Radweg abbog und über die neue große Werrabrücke ein Stück ins Zentrum fuhr, konnte die Fachwerkhäuser bewundern. Im weiteren Verlauf waren bis Bad Salzungen häufig Straßen zu befahren. Auch dort verlief der vorgeschlagene Weg an der Stadt vorbei. Nur diesmal nicht. Wegen Bauarbeiten war der Weg gesperrt und die Umleitung führte in die Stadt. Was sich anfangs als Vorteil darstellte, weil man etwas von der Stadt erkunden konnte, erwies sich später als Nachteil. Denn wieder einmal war keine durchgehende Ausschilderung der Umleitungsstrecke zu finden. Nur gut, das der Zielort Kieselbach, nicht mehr weit war und so gelang es mit Hilfe des Navis, einen anderen befahrbaren Weg zu finden.

Das Quartier in Kieselbach war so schön, dass es am nächsten Morgen schwer fiel, wieder aufs Rad zu steigen. Aber den achten Tag in Folge schien die Sonne vom Himmel, da musste man einfach los. Schon nach kurzer Fahrt rückten die Fördertürme der ehemaligen Schachtanlage von Merkers ins Blickfeld und in der Ferne leuchtete die weiße Halde von Philippsthal. Doch dazu später. Zunächst kam erstmal die Grenze nach Hessen, dem vierten Bundesland dieser Tour. Auf der gegenüberliegenden Werraseite war der kleine Ort Vacha zu sehen. Hinüber gelangt man über eine 225 m lange Steinbogenbrücke aus dem Mittelalter.
Philippsthal hat u. a. mit seinem Schloss, durch dessen Gelände der Radweg direkt hindurchführt, schöne Sehenswürdigkeiten, wird aber dominiert durch eine riesige Abraumhalde. Diese gehört dem Salz- und Düngemittelkonzern K+S, der hier feste Salzabfälle entsorgt, weswegen der obere Teil der Halde wie beschneit aussieht. Nicht viel weiter, in Heringen, erhebt sich die nächste riesige Halde, Monte Kali genannt. Dieser, sich rund 200 m über das Umland erhebende Berg, war noch viele Kilometer weiter vom Radweg aus zu sehen. Der verlief mehr oder weniger nah an der Werra entlang mal auf Straßen, mal auf Radwegen mit unterschiedlichen Belägen. Die Werra war schon längst zu einem "richtigen" Fluss geworden. Noch zweimal wurde die Landesgrenze zwischen Hessen und Thüringen bis nach Hörschel überfahren. Dort, wo sich das "Tor zum Rennsteig" befindet, wurde der Radweg verlassen und zum Quartier in Stedtfeld, einem Ortsteil von Eisenach, geradelt. Mit einem Blick zur Wartburg endete diese Tagesetappe.

Zum üblichen Tourbeginn, gegen 8 Uhr, musste von Stedtfeld aus zunächst nach Hörschel zum Werratal-Radweg zurück gekehrt werden. Unter der dortigen riesigen Talbrücke der A4 hindurch schlängelte sich der Weg weiter durch die Landschaft. In das über 1000-jährige Creuzburg, das als nächstes am Wege lag, kann man über eine im 13. Jahrhundert errichtete Steinbogenbrücke gelangen. Die über der Stadt liegende Burg war seinerzeit ein bevorzugter Aufenthaltsort der Heiligen Elisabeth von Thüringen. Das Rathaus war neben anderen Fachwerkhäusern sehr sehenswert. Mal an grünen Wiesen entlang, teils mit Pferdekoppeln, mal durch kleine Ortschaften, in denen der Flieder blühte, ging es weiter. Auf der Werra kamen hin und wieder Schwäne ins Blickfeld. Eine Zeit lang verlief der Radweg neben bzw. auf dem Bahndamm der ehemaligen Werratalbahn. Schaute man genau hin, konnte man noch kleine Reste der ehemaligen Betriebsanlagen entdecken. Kurz bevor man wiedermal nach Hessen hinüber wechselte, wurde Treffurt erreicht. Schon einige Zeit vorher sah man das weithin sichtbare Wahrzeichen der Stadt, die Burg Normannstein. Die Stadt hat zahlreiche restaurierte Fachwerkbauten aufzuweisen, davon ist das Rathaus besonders sehenswert. Hinter Treffurt war es nicht mehr weit bis zum Endpunkt dieser Tour im Werratal, denn ein neuer Fluss wartete, die Unstrut. Zum Abschied quakten die Frösche in den zahlreichen Teichen nahe dem kleinen Ort Frieda heftig, dann ging es zunächst dem gleichnamigen Flüsschen entlang aufwärts Richtung Unstrutquelle. Schon nach wenigen Kilometern war man wieder in Thüringen. Ein Stückchen fuhr man dann dem historischen Kolonnenweg, dem ehemaligen Dienstweg der DDR Grenztruppen, dann dem Radweg zum Heilbad Heiligenstadt entlang. Später waren auf einer relativ wenig befahrenen Straße auf 3 km Länge 200 Höhenmeter zu überwinden. Danach konnte man sich wieder "ausruhen", bis Kefferhausen, wo die Unstrut entspringt, rollte das Rad manchmal mit über 50 km/h stetig bergab. An der Unstrutquelle in knapp 400 m Höhe störte kein Mensch die Stille. Von den 192 km, die es nun noch bis Naumburg waren, wurden die ersten drei bis Dingelstädt, wo die 9. Etappe der Tour endete, gleich noch absolviert.

Am ersten warmen Morgen dieser Tour hieß es von Dingelstädt Abschied nehmen. Schafe mit Lämmern und Esel grasten auf den Weiden und wieder waren endlose blühende Rapsfelder zu sehen. Da sollte uns um das Rapsöl nicht bange werden. Wie überhaupt im ganzen Eichsfeld säumten auch hier in den Ortschaften gut instandgehaltene Bauernhöfe und Wohnhäuser sowie gepflegte Gärten den Weg. Milchkannen auf den Milchbänken weckten Erinnerungen an Kindertage. Kurz vor Mühlhausen überspannten zwei mächtige Viadukte die Unstrut, die mittlerweile von einem Bächlein zu einem richtigen Fluss geworden war. In der Nähe erfreuten neckisch gestaltete Holzfiguren das Auge des Betrachters. In der Thomas-Müntzer-Stadt Mühlhausen sollten die Marienkirche, in der einst Müntzer predigte, und die Stadtmauer mit Frauentor zum Pflichtprogramm gehören.
Rechts und links vom weiteren Radweg nach Bad Langensalza erstreckten sich meist endlos scheinende Felder. Ausgerechnet hier dachte sich wohl der Wettergott, wenn ich die Menschen schon nicht mit Regen glücklich machen kann, versuche ich es mit Wind. Und er blies, was das Zeug hält, nur meistens von der Seite, was das Fahren nicht leichter machte. Zum Glück war Bad Langensalza nicht allzu weit entfernt. Diese Stadt gehört auch zu jenen, die wohl keine Radfahrer in ihren Mauern mögen. Der Weg führt außen herum und Schilder, die den Weg ins Zentrum weisen, sind rar. Da hilft nur eins, immer in Richtung Kirchtürme fahren. Zu den schönsten Bauten zählen hier u. a. die Marktkirche, das Rathaus und die sehr gut erhaltene Stadtmauer mit ihren vielen Wehrtürmen. Hat man viel Zeit, sollte man auch den Rosen- und den Japanischen Garten besuchen. Übrigens schaffen es Mühlhausen und auch Bad Langensalza ihre Innenstädte autofrei zu halten, sie pollern einfach erfolgreich ab.

Der Wind vom Vortag war am nächsten Morgen, als in Bad Langensalza gestartet wurde, zunächst ein Schiebewind geworden. Auf dem asphaltierten leicht abschüssigen Weg ging es fast wie von selbst voran. Herrlich die Stille am frühen Morgen, nur Vogelgezwitscher und ab und zu ein Kuckucksruf ertönte. Zwischen Nägelstedt und Großvargula ist das Unstruttal besonders malerisch. Es geht durch ein Naturschutzgebiet mit Laubmischwäldern, Feuchtwiesen und Gebüsch. Danach folgten wieder riesige Felder, auf denen erst Kartoffeln und Wintergerste vorherrschten, dann hin und wieder Spargel. Der weitere Weg nach Gebesee war unangenehm. Drei Meter breiter Asphalt mit tief liegenden Banketten, Beschilderung: Fahrverbot für Kraftfahrzeuge aller Art, Zusatz Landwirtschaftlicher Verkehr frei. Trotzdem herrschte reger PKW-Verkehr. Die endlosen Gewächshäuser mit Erdbeeren, wie sie vor Jahren am Erdbeerhof Gebesee noch zu sehen waren, gab es nicht mehr. Erdbeeren werden trotzdem noch angebaut.
Später verlief der Weg durch das Naturschutzgebiet Haßlebener Ried. In Werningshausen kam man direkt am Priorat Sankt Wigberti, einem ökumenischem Benediktinerkloster vorbei, das seit den 1970er Jahren hier aufgebaut und 1987 als erstes lutherischen Kloster nach der Reformation approbiert wurde.
Geradezu paradiesisch war die weitere Strecke nach Sömmerda. Beidseits der Unstrut stehen hohe Bäume und Büsche, die den Radfahrern Schutz vorm Wind bieten. In Sömmerda wurde der Autor mit Musik begrüßt. Es herrschte buntes Markttreiben mit Spargel-Wettschälen und Drehorgelmusik, ein spektakuläres Ambiente für eine Stärkung mit einer Thüringer Rostbratwurst. Kurz hinter Heldrungen lag das Ziel des Tages. Doch vorher musste natürlich noch ein Blick auf das Heldrunger Wasserschloss, eine Festung mit vier Bastionen und Wassergraben geworfen werden.

An nächsten Morgen, dem letzten Tag dieser Tour, war die leichte Müdigkeit, die die Beine am Vortag befallen hatte, vergessen, ging es doch nach Hause. Zu dem Wohlgefühl trug auch das fürstliche Frühstück bei, das Herr von Bismarck, ein freundlicher, sehr um seine Gäste besorgter älterer Herr, im letzten Quartier persönlich servierte. Außer Sekt und Kaviar fehlte nichts, doch wer braucht das schon vor einer Radtour. Der erste Teil der Strecke war unspektakulär, in kurzer Zeit wurde 4-mal die A71 gequert. Erst kurz vor Artern kam die Unstrut wieder in Sicht. Bekanntlich wurde diese gegen Ende des 18. Jahrhunderts besser schiffbar gemacht und in diesem Zusammenhang 12 Schleusen gebaut. Das Wehr und die Schleuse bei Ritteburg, die ein Stück hinter Artern liegt, war die letzte der 12.
Nach der Schleuse verlief der Weg längere Zeit über die Dammkrone, nur gut, das der wieder auffrischende Wind nicht von vorn kam. Später fuhr man an Roßleben vorbei und konnte die Türme der dortigen Klosterschule sehen. Dann dauerte es nicht mehr lange, bis man in der Ferne die mittelalterliche Burgruine Wendelstein erkennen konnte. Der Radweg führt direkt dorthin, doch diesmal blieb das Bauwerk unerreichbar, denn auf der Unstrutbrücke sah man schon von weitem einen Bagger und andere Baugeräte stehen. Wegen der Sperrung der Brücke musste man die Landstraße zum Kloster Memleben nehmen. Von da ab war der Radweg wieder frei und Wangen bald erreicht. Nicht ohne eine Stärkung, die man in Karsdorf in der Imbissgaststätte "Zum Strumpf" bekommen konnte, waren die "paar" Kilometer nach Naumburg schnell geschafft. Bis zum Ziel gab der Wind noch einmal sein bestes, dem Radfahrer das Leben schwer zu machen. Und endlich auf dem Markt war die Tour nach 960 km und reichlich 9 500 Höhenmetern zu Ende.

Bleibt abschließend nur noch zu wünschen, das all das Gesehene unseren Enkeln und späteren Generationen erhalten bleibt.

Anmerkung: Die dargestellte Route zeigt den geplanten Verlauf, der tatsächlich gefahrene Weg weicht aus oben teilweise beschriebenen Gründen davon ab und war 87 km länger.