Mit dem Fahrrad von der Saale an die Weser 

31. Juli 2012 

Vor einem halben Jahr eröffnete mir meine Frau, dass sie in diesem Sommer mal wieder eine Städtereise mit ihrer Freundin unternehmen wolle, diesmal nach Lissabon. Diese Woche dachte ich mir, könntest du nutzen, um ausgiebig deinem Hobby, dem Fahrradfahren, zu frönen.

0 00Doch wohin könnte es gehen? Nach einigem hin und her kam mir die Idee, Frida zu besuchen. Frida ist unsere jüngste Enkeltochter, ganze zweieinviertel Jahre jung. Ihre Eltern hat es im vergangenen Jahr beruflich nach Bremen verschlagen, seitdem sieht man sich leider viel zu selten. Aber ist es überhaupt möglich in sechs Tagen die ca. 600 km lange Strecke mit dem Fahrrad von Naumburg nach Bremen zu fahren? Nach längerem Kartenstudium kam ich zu dem Schluss, ja, es kann klappen, eine ordentliche Kondition und gutes Wetter vorausgesetzt. 

Verschiedene technische Vorbereitungen waren nötig. Mein Sportrad musste einen Gepäckträger und eine Lichtanlage bekommen. Dann begann die Feinplanung der Tour. Um bei Tagesabschnitten um die 100 km Zeitverluste und zusätzliche Wegstrecken zu minimieren, erstellte ich mir die notwendigen digitalen Karten und Routendateien.

Wenn nun noch das Wetter passen würde! Je näher der Abfahrtstermin rückte, umso schlechter wurde das Wetter. Trotzdem buchte ich vorab an den einzelnen Etappenzielen Übernachtungsmöglichkeiten. Und das Wunder geschah: zwei Tage vor der Abfahrt besserte sich das Wetter und die weiteren Wetteraussichten waren gut. 

Am Abfahrtstag war es kühl aber trocken. Zufällig ergab es sich, dass ich von Katja Blüher vom myheimat-Team des Naumburger Tageblattes verabschiedet wurde und los ging es.

Die ersten 65 km waren quasi ein "Heimspiel", ging es doch den Saaleradwanderweg flussabwärts nach Halle. Danach begann für mich fahrradtechnisch gesehen, das Neuland. Als ersten Etappenort hatte ich Wettin auserkoren. Auf Asphalt, Splitt und Kopfsteinpflaster führte mich der Radweg nach dem Überqueren der Saale mit der Saalefähre Brachwitz bei teilweise heftigem Gegenwind nordwärts. Trotzdem erreichte ich den Zielort schneller als geplant und es blieb mehr als genug Zeit für einen Rundgang. 

 

Am zweiten Tag ging es weiter flussabwärts. Auf größtenteils sehr gut ausgebauten und idyllischen Wegen, die hin und wieder auch von Hasen und Füchsen genutzt wurden und vorbei an verschlafenen Dörfern erreichte ich zunächst Bernburg. Danach wurde das Land offener und der Weg führte mich an endlosen Feldern entlang. Nachdem ich bei Groß Rosenburg die Saale mit der Fähre gequert hatte, rollte ich nach Barby. Nach einer Mittagspause setzte ich mit der Fähre über die Elbe und erkundete vom gegenüber liegenden Ufer die Saalemündung. Den Elberadweg entlang ging es weiter bis Dornburg. Hier bog ich nach Norden ab und fuhr durch Gommern an der Wasserburg vorbei in das kleine Örtchen Wahlitz südöstlich von Magdeburg, wo ich von Freunden bereits erwartet wurde.


Am dritten Tag galt es zunächst Magdeburg zu durchqueren. Mein Wahlitzer Freund begleitete mich entlang des Klusdammes, einem früheren wichtigen Handels- und Postweg, der die sumpfige Elbaue durchquerte, in die Stadt. Danach fuhr ich auf einer in der Literatur beschriebenen, unbeschilderten Route auf allen erdenklichen Wegen, von der Bundesstraße mit und ohne Radweg angefangen bis zum durchweichten und mit Löchern übersäten Feldweg ca. 40 km Richtung Westen bis nach Eggenstedt, wo sich eine der Quellen der Aller befindet. Auf dem Allerradweg wollte ich die nächsten Tage bis zur Weser gelangen.

Zunächst war vom vielbeschriebenen idyllischen Allerradweg nicht viel zu bemerken. Häufig ging es Landstraßen entlang, das Rinnsal Aller sah man bestenfalls beim Überqueren von einer Brücke aus. Auch wurde ich zweimal von Sperrungen des beschilderten Radweges ohne Umleitungsempfehlung überrascht. Bei den steigenden Temperaturen war es auch nicht möglich, in einem der zu durchquerenden Dörfer Speisen oder Getränke zu erhalten. Gut, dass ich alles Notwendige bei mir hatte. Als ich nach Marienborn kam, wollte ich die Gelegenheit nutzen und einen Blick auf die Gedenkstätte „Deutsche Teilung“ werfen, hatte aber nicht bedacht, dass montags in Deutschland alle Museen geschlossen haben. Schnell am Endlager für radioaktive Abfälle Morsleben vorbei fahrend, verließ ich erstmals Sachsen-Anhalt, um 2 km hinter der Grenze in Grasleben zu nächtigen. 

Am frühen Morgen des vierten Tages, es waren Temperaturen um 30 Grad angekündigt und der längste Tourabschnitt mit 125 Tageskilometern stand bevor, ging es zunächst nach Sachsen-Anhalt zurück, aber nur, um mehrfach nach Niedersachsen zu wechseln. Nach der Durchquerung von Oebisfelde, der Stadt mit dem ehemaligen DDR-Grenzbahnhof zur BRD, erreichte ich nach einiger Zeit den Mittellandkanal und kam dann bald nach Wolfsburg. Mich als Radfahrer interessierten die VW-Werke weniger, stattdessen warf ich einen Blick auf das Schloss Wolfsburg, um dann über Fallersleben weiter nach Gifhorn zu fahren. Nun wurde auch der Allerradweg immer idyllischer, zum Glück gab es bei den steigenden Temperaturen auch schattige Waldwege. Die Beschilderung war durchweg gut, hin und wieder entsprach die Streckenführung aber nicht der auf der Karte eingezeichneten.

Meine Vorfreude auf mein Tagesziel Celle war groß, wird doch die Altstadt als besonders schön beschrieben. Meine Erwartungen wurden bei einem Stadtrundgang noch deutlich übertroffen, Fachwerkhäuser wohin man schaute und eines schöner als das andere. Auch das Schloss und der Schlosspark waren sehr sehenswert.

Bei den hohen Temperaturen löschte ich meinen Durst mit Celler Bier, das ich nur weiterempfehlen kann. 

Auch am fünften Tag brach ich wegen der angekündigten hohen Temperaturen zeitig auf. Die Aller war schon seit dem Vortag häufig zu sehen und ein richtiger Fluss geworden. Auf herrlichen Waldwegen, an Feldern entlang oder direkt hinter den Deichen ging es zügig Richtung Verden. Dabei wurde auch die A7 unterquert. In der Nähe von Schwarmstedt war ein technisches Denkmal der besonderen Art zu bewundern, die 1823 erbaute Galerie-Holländer-Windmühle Bothmer, die seit einer umfangreichen Sanierung in den 1990er Jahren heute wieder funktionstüchtig ist.

Hasen in den Wäldern und Kühe und Pferde auf den Weiden waren ständige Begleiter. Meist auch ein für den Radfahrer angenehmer Rückenwind. Trotzdem war ich froh, als ich nach reichlich 100 km bei 30 Grad Wärme am Ziel in Verden ankam. Diese Stadt trägt den Beinamen Reiterstadt, weil sie ein Zentrum der Pferdezucht und des Pferdesports ist. Auch hier schloss eine Stadtbesichtigung den Tag ab. 

Der letzte Morgen der Tour überraschte mich mit Nebel. Die Luft war zwar nach der Hitze des Vortages angenehm kühl aber unangenehm feucht.

Kurz hinter Verden mündet die Aller in die Weser. Enttäuschung machte sich breit, als das erste Weserradwegschild auftauchte, ohne dass ich die Mündung der Aller in die Weser gesehen hatte. Alle meine Versuche, auf Feldwegen dahin zu gelangen, endeten früher oder später an Weidezäunen. So musste ich aufgeben und folgte weiter dem Weserradweg. Halbwegs versöhnt wurde ich, als ich einen Lastkahn bei der Einfahrt in die Schleuse Langwedel beobachten konnte.

Immer näher kam ich nun meinem Ziel Bremen, zuerst noch hinter den Deichen der Weser, dann oben auf. Als die Bremer Altstadt am Horizont auftauchte, war ich schon erleichtert, hatte ich doch nunmehr tatsächlich mein langersehntes Ziel fast erreicht. Als 3135.Radfahrer an diesem Tage fuhr ich über die Weser in die Stadt. Die Menschentraube um die Bremer Stadtmusikanten war gewaltig. Nach einer Ruhepause nahm ich die letzten 25 km nach Bremen-Vegesack in Angriff. Auf der rechten Weserseite, am gegenüberliegenden Industriehafen vorbei, führt der Weserradweg flussab. Immer schön gegen den Wind erreichte ich auf dem Radweg schließlich Bremens Stadtteil Lemwerder. Mit der Fähre setzte ich nach Vegesack über. Die letzten Kilometer ging es leicht bergauf zum Ziel. Dort zeigte der Fahrradcomputer 607 gefahrene Kilometer an.

Als ich schließlich Frida in die Arme schließen konnte, sagte sie: „Hallo Opa, wo ist Oma?“ Da sieht man mal wieder, da kann man sich als Opa noch soviel anstrengen, Oma ist eben doch die Beste. 

Zurückblickend bin ich immer noch überrascht, die Tour so problemlos bewältigt zu haben. Weder Muskelkater noch technische Defekte haben das Vergnügen beeinträchtigt, durch unser schönes Land zu fahren. Wir sollten alles dafür tun, dass auch unsere Nachfahren das Land noch in gleicher Qualität vorfinden.


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