Der Radfahrer und sein „innerer Schweinehund“

13. März 2011 

Als der Radfahrer den Wochenendwetterbericht hörte, dachte er, nun muss es endlich losgehen, den ganzen Winter hast du auf der faulen Haut gelegen.

Sein innerer Schweinehund erinnerte ihn aber daran, dass er am Wochenende keine Zeit für einen Radtour habe, da sich Besuch angesagt hat. Stimmt nicht ganz, dachte der Radfahrer, schließlich hast du am Sonntagvormittag noch ein wenig Zeit. Also weckte er sein Fahrrad aus dem Winterschlaf, putzte und ölte es, pumpte Luft auf und fettete die Kette neu.
Als es dann am Sonntagmorgen noch recht kalt war, freute sich der innere Schweinehund und dachte, bei den Temperaturen fährt der nicht los. Doch die Quecksilbersäule stieg und stieg. Da begann der Radfahrer darüber nachzudenken, wo er denn hinfahren könnte. Jetzt im März könnte man an die altbekannte Stelle fahren und nachschauen, ob die Märzenbecher schon blühen. Aber das ist viel zu weit, gab der innere Schweinehund zu bedenken. Das stimmt dachte der Radfahrer, eine erste Tour sollte nicht so lang sein. Aber wenn ich nicht fahre, verpasse ich womöglich die Blüte der Märzenbecher, so wie im letzten Jahr. Kurz entschlossen schwang er sich auf sein Rad und überhörte weitere Einwände seines inneren Schweinehunds, denn schließlich gibt es noch mögliche Abkürzungen.
Am Fischhaus bei Schulpforte vorbei ging es zügig nach Bad Kösen. Im Kurpark war in der frühen Morgenstunde noch nicht viel los. Weiter ging es die Saale aufwärts an den von den Bergen grüßenden Burgen vorbei nach Kleinheringen. Kurz hinter dem Museums-Gutshof Sonnekalb bog der Radfahrer links ab Richtung Kaatschen. Auch das Weingut Zahn lag dort noch ganz verlassen da.
Das läuft ja prima, dachte der Radfahrer, als er weiter nach Camburg fuhr. Du wirst es bereuen, warf sein innerer Schweinehund ein, hinter Camburg kommt eine 10%-ige Steigung. Doch der Radfahrer biss die Zähne zusammen, schließlich lag sein Ziel, das Waldstück mit den Märzenbechern zwischen Schinditz und Sieglitz, schon in greifbarer Nähe. Groß war jedoch seine Enttäuschung, als er dort ankam und nicht einen einzigen Märzenbecher sah.
Und nun musst du auch noch den Berg nach Sieglitz hoch, triumphierte sein innerer Schweinehund. Dem werde ich es zeigen, dachte der Radfahrer und schneller als gedacht, war er oben. Weiter ging es schön auf der Höhe entlang durch Molau und Aue Richtung Casekirchen. Jetzt kommt erstmal eine Abfahrt bis Utenbach, freute sich der Radfahrer. Doch als er dann an Cauerwitz und Großgestewitz vorbei war und denn kleinen Anstieg Richtung Beuditz sah, gewann der innere Schweinehund für kurze Zeit wieder die Oberhand. Du hättest ja nicht so weit fahren müssen, lies er sich vernehmen. Dir werde ich es zeigen, dachte der Radfahrer und fuhr zügig, aber mit immer schwerer werdenden Beinen durch Wettaburg und den Mühlenwanderweg nach Mertendorf entlang. Von dort aus ging es weiter nach Wethau. Der Radfahrer warf einen Blick zum noch leeren Storchennest und fuhr durch das Kroppental zur „Neuen Welt“. Hier traf er auf den Saale- Radwanderweg. Richtung Naumburg begegneten ihm einen ganze Menge Radfahrer und ein großes Loch im Radwanderweg, dass ein umstürzender Baum gerissen hat. Am „Felsenkeller“ saßen schon die ersten Gäste im Biergarten. Ein schneller Blick zurück zur Schönburg und weiter ging es Richtung Naumburg.
Nun kommt der Hammer, meldete sich der innere Schweinehund wieder. Der Anstieg vom Gänsegrieß zur Stadt hoch hat es in sich und du schon eine lange Fahrstrecke in den Beinen. Aber, lieber Radfahrer, du kannst ja absteigen und hochschieben. Dir werde ich es zeigen, erwiderte der Radfahrer und mobilisierte seine letzten Kraftreserven.
Als er nach zweieinviertel Stunden Fahrt seine Wohnungstür wieder aufschloss, sagte seine Frau: du lächelst ja so, war es eine schöne Tour? Natürlich sagte der Radfahrer und dachte bei sich, am schönsten war aber, dass ich meinen inneren Schweinehund besiegt habe! Der musste natürlich das letzte Wort haben: du wirst die 52 km noch bereuen, bei dem Muskelkater den du morgen haben wirst! Na und, dachte sich der Radfahrer, der geht vorbei und die nächste Tour kommt bestimmt!